Toby Roberts gewinnt Gold [Paris 2024]
Toby Roberts (Großbritannien) schien es im ersten Moment selbst gar nicht glauben zu können, es dauerte einen Moment, bis er realisiert hatte, dass er Gold gewonnen hatte. Das Herrenfinale im Combined blieb spannend bis zum Schluss – beziehungsweise bis zum allerletzten Starter beim Lead, nämlich Sorato Anraku (Japan). Tatsächlich kippte Sorato, der als Topfavorit galt, dann zwei Züge zu früh aus der Wand. Das kostete ihm den Sieg, er gewann Silber. Das Podium war mit zwei Youngstern, dem 19-jährigen Toby und dem 17-jährigen Sorato, und Altmeister Jakob Schubert besetzt. Der 33-jährige Österreicher hatte es durch einen furiosen Go im Lead noch geschafft, sich von Platz 5 nach der Boulderrunde noch weit nach vorne zu schieben.
Bouldern
Vier wieder sehr anspruchsvolle Probleme warteten auf die acht Finalisten. Alles wurde abgefragt, Kraft, Dynamik, Gleichgewichtsgefühl – spektakuläre Moves, Sprünge und Weiterleiter waren zu sehen. Boulder Nummer 1 wurde von Dual-Textur-Makros mit Loch dominiert, Koordination, Kraft und Sprungfähigkeit waren hier gefragt. Fünf Finalisten konnten ihn toppen: Jakob Schubert (Österreich), Hamish McArthur (Großbritannien), Toby Roberts (Großbritannien), Colin Duffy (USA) und Sorato Anraku (Japan), der nach den beiden Halbfinals in Führung lag. Sorato flashte ihn als einziger. Danach gings aber schon heftiger zur Sache. Boulder Nummer 2 bot ein tricky Platte, als Einziger konnte Sorato hier den Topgriff in der Hand halten. Der jeweils letzte Zug in Boulder 2 bis 4 war – wie schon im Boulder-Halbfinale – extrem schwer, viele scheiterten daran, wie Adam Ondra (Tschechien). Boulder Nummer 3 war dann ein extrem überhängender Powerproblem. Toby toppte ihn als erster – und als einziger. Sorato fiel der extreme Schulterzug unten zwar noch leicht, aber auch er rutsche dann beim Zug zum Topgriff, einer kleinen aufgeschraubten Leiste, ab. Auch Boulder Nummer 4 sah dann nur ein Top, dieses Mal war es Colin, der das Koordinationsproblem mit Weiterleiter und einem finalen 2,3 Meter weiten Sprung zu einem kleinen Zwei-Finger-Griff im dritten Versuch toppen konnte. Den anderen sieben Athleten gelang das nicht, auch nicht Sorato. Er berührte den Griff zwar zweimal, konnte die Finger aber nicht richtig in die Löcher positionieren, um sich zu stabilisieren, und tropfte ab.
Nur Sorato, Colin und Toby konnten sich jeweils zwei Tops holen, mehr war nicht drin. Sorato übernahm mit 69,3 Punkten und einem hauchdünnen Vorsprung von einem Punkt auf Colin (68,3 Punkte) die Führung. Platz 3 belegte Toby (63,1 Punkte), Hamish Platz 4 (53,9 Punkte), Jakob Platz 5 (43,6). Der Franzose Paul Jenft belegte mit 24,4 Punkten Platz 6, Adam Ondra (24,1 Punkte) und der Spanier Alberto Ginés López (24,1 Punkte) gemeinsam Platz 7.
Lead
Die Boulderrunde hatte den acht Finalisten schon einige Körner gekostet, viel Kraft brauchten sie dann aber auch für die Leadroute, in der die Entscheidung fiel. Die physische Route war interessant geschraubt, den Zuschauern war einiges geboten: Neben einer Hangelpartie war ein 360-Move zu sehen. Spannung pur war in der entscheidenden Runde geboten – und es blieb auch spannend bis zum letzten Starter.
Hamish, Vierter nach dem Bouldern, war als erster Starter beim Lead an der Reihe und lieferte ab, er hatte einen grandiosen Auftritt und holte sich gleich einmal 72 Punkte. Colin, Zweiter nach dem Bouldern, sammelte dann 68,1 Punkte. Paul, ein Boulderspezialist, zeigte vor heimischen Publikum eine sehr gute Vorstellung, er wurde von den Zuschauern gepusht, jeder seiner Züge wurde von ihnen frenetisch gefeiert.
Er konnte sich 51 Punkte holen, das reichte aber in der Gesamtsumme dennoch nicht für einen der vorderen Plätze. Nach ihm startete Jakob, der sechsfache Weltmeister und mit 33 Jahren einer der erfahrensten Wettkampfkletterer. Der Österreicher hatte keine optimale Boulderrunde gehabt, er lag danach auf Platz 5. Im Lead lieferte er dann aber so richtig ab, er kletterte schnell und präzise und schraubte sich in der extrem überhängenden Wand immer höher – und stürzte erst beim Zug zum Topgriff. Damit holte er sich 96 Punkte und setzte eine Bestmarke, die später nur von Adam erreicht wurde. Alberto, der sich in Tokio olympisches Gold geholt hatte, und als Leadspezialist gilt, kam auch sehr hoch, in der Lead-Runde belegte er mit 92,1 Punkten den dritten Platz im Lead. Alberto hatte sich aber im Bouldern kein Top holen können, auch sein super Ergebnis im Lead konnte ihn in der Gesamtplatzierung nicht mehr weit nach vorne bringen. Ähnlich war es bei Adam, der beim Lead eine brillante Vorstellung ablieferte und erst beim Zug zum Topgriff fiel. Auch sein erster Platz im Lead konnte ihm aber nicht mehr viel helfen, er hatte beim Bouldern nur den siebten Platz belegt. Zwei Starter, zwei Youngster, kamen dann noch nach Adam: Toby und Sorato. Der 19-jährige Toby, Platz 3 nach der Boulder-Runde, kam weit nach oben, es sah sehr stabil bei ihm aus. Er holte sich 92,1 Punkte – nach Jakob und Adam war das die beste Leistung. Zu diesem Zeitpunkt lag er in der Gesamtwertung auf Platz 2, hatte Silber also schon sicher, und Jakob auf Platz 3. Aber noch kam Sorato, der Gesamtweltcupsieger Lead und Bouldern des vergangenen Jahres, der Senkrechtstarter aus Japan, für den es eine Selbstverständlichkeit schien, abzuliefern. Er hatte es in der Hand, sich die olympische Goldmedaille zu holen. Das gelang ihm aber nicht, es sah nicht so mühelos, so spielerisch wie sonst bei ihm aus, zwei Züge fehlten im schließlich. Das bedeute Gold für Toby (155,2 Punkte):
I’ve got no words. I’m just riding on adrenaline right now, but I feel incredible,
kommentierte Toby seinen Sieg.
Silber ging an Sorato (145,4 Punkte) und Jakob (139,6 Punkte) gewann nach Tokio seine zweite olympische Bronzemedaille.
Ergebnis des Combined Finale der Herren [ Olympia Paris 2024]
1 Toby Roberts – GBR – 155.2 Pkt.
2 Sorato Anraku – JPN – 145.4 Pkt
3 Jakob Schubert – AUT – 139.6 Pkt.
4 Collin Duffy – USA – 136.4 Pkt.
5 Hamish McArthur – GBR – 125.9 Pkt.
6 Adam Ondrs – CZ – 120.2 Pkt.
7 Alberto Gines Lopez – ESP – 116.2 Pkt.
8 Paul Jeneft – FRA – 78.4 Pkt.