Safety Discussion 8b/10Sl. – nur nicht "zu einfach"! [Erstbegehung von David Lama und Peter Ortner]

Juli 2012: Seit Stunden hängen Peter Ortner und David Lama jetzt schon in dieser gräulich-gelben Felswüste, zweihundert Meter über dem Einstieg ihrer Route. Die beiden kommen nur langsam voran – ganz langsam. Alle paar Minuten versucht David höher zu kommen, doch spätestens nach drei, vier Metern steht er an, findet keine neuen Griffe und der Sog der Schwerkraft zieht ihn wieder in die Tiefe. Wie einfach wäre es jetzt die Bohrmaschine raus zu nehmen und sich gerade hoch, durch diese glatte, leicht überhängende Wand zu bohren. Doch gleichzeitig fragte er sich auch, was das dann noch für einen Reiz hätte.
Da David und Peter auch dieses Mal Alpin unterwegs waren und wir gar nicht mehr wissen, wie man so einen Standplatz baut, überlassen wir am besten David das weitere erzählen von ihrer Erstbegehung…
Vor etwas mehr als einem Monat stand ich das erste Mal vor dieser Wand. Gemeinsam mit Peter wollte ich versuchen die Jugendführe frei zu klettern, doch als wir beide am Einstieg standen und unsere Augen die Linie, die wir uns vorgenommen hatten, scannten, schweiften unsere Gedanken schon ab, nach rechts zu einer riesigen Schuppe, dann weiter mitten durch die weit ausladenden Dächer und am Ende über die leicht überhängende, gräulich-gelbe Headwall der Laserz Südwand.
Wir kletterten die Jugendführe auf Anhieb und am nächsten Tag standen wir wieder vor der Wand. Dieses Mal fühlte es sich jedoch ganz anders an – wir waren nicht mehr gekommen um eine bereits gekletterte Route zu wiederholen, sondern um unsere eigene Linie zu zeichnen. Und noch wichtiger: Wir hatten eine ganz konkrete Vorstellung davon, wie diese Linie auszusehen hatte.
Mit zwei Set Friends, Klemmkeilen, Normalhaken und auch ein wenig Spielzeug aus der Techno-Kiste starteten wir ins Neuland. Nur langsam kamen wir vorwärts. Jeder Meter war hart erkämpft. Immer wieder stürzten wir und mussten erneut all unseren Mut zusammen nehmen um wieder von unseren Placements weg zu klettern. Einzelne Züge wurden zu Minuten und Seillängen zu Stunden. Uns wurde schnell klar, dass wir uns auf ein Abenteuer eingelassen hatten, das wir an diesem Tag nicht abschließen konnten.
Doch es ging uns nicht darum die Route möglichst schnell zu Ende zu bringen. Wir wollten diese Erstbegehung in einem möglichst sauberen Stil und mit einem minimalen Einsatz von Bohrhaken machen. Das dauert eben, sagten wir uns, denn immerhin „meißeln“ wir gerade unsere Ideale in diese Felswand.
Ich versuche es erneut, klettere von meinem Placement weg und arbeite mich Griff um Griff nach oben. Eine kleiner Riss bietet mir die Möglichkeit einen Normalhaken zu schlagen. Ich traue dem Haken nicht wirklich, einen Sturz würde er nie halten, doch vielleicht mein Körpergewicht, um mich technisch über den nächsten Meter zu ziehen. In einem kleinen Loch bekomme ich dann endlich meine nächste Sicherung, eine Cliff, den ich mit meinem Hammer ein wenig zurecht schlage, unter. Auch ihm vertraue ich nicht wirklich, aber er ist meine beste Sicherung in den letzten fünf Metern. Ich hänge mich in den Cliff und raste ein wenig. Wieder denke ich an die Bohrmaschine – wie einfach wäre es wohl hier einen Haken zu setzen? Aber ich kenne die Antwort, es wäre zu einfach!
Ich klettere weiter, bekomme keine Sicherungen mehr in die Wand und rette mich von einer Leiste zur Nächsten. Nach sieben Metern kann ich endlich den erlösenden Standplatz einrichten und während ich Peter dann nachsichere und mein Blick nach oben schweift, weis ich, dass wir es heute schaffen werden. Nur noch hundert Meter im fünften und sechsten Grad, dann stehen wir am Gipfel.
September 2012: Knapp ein Monat nach unserer Expedition ins Karakorum kehren Peter und ich nochmals für eine durchgehende Rotpunkt-Begehung zu unserer Route zurück. Das Wetter ist schon herbstlich, die Lärchen leuchten gelb, der Boden ist gefroren und die Bedingungen zum Klettern sind nahezu perfekt.
In den ersten vier Seillängen bekomme ich zu spüren, dass meine Unterarme nicht mehr so fit sind wie im Frühsommer. Mit eingefrorenen Fingern kämpfe ich mich durch die fünfte Länge, die gerade durch das große Dach führt – die schwerste Seillänge ist geschafft. Peter übernimmt den Start in die Headwall und auch er behält die Nerven und erreicht den Standplatz. Die folgenden zwei Längen im unteren zehnten Grad steige ich wieder vor. Alles ist am Limit, doch ich behalte trotz der spärlichen Absicherung die Nerven und stürze nicht.
Die Route Safety Discussion ist für David  eine seiner schönsten Erstbegehungen und hat vor allem aufgrund des minimalen Einsatzes von Bohrhaken einen ganz besonderen Stellenwert für ihn. Die Route ist lang,  anspruchsvoll und obwohl potenzielle Wiederholer nicht mehr ins komplett Unbekannte klettern müssen, bleibt die erste Begegnung mit der Route sicherlich auf Dauer ein Abenteuer. Alle Standplätze sind mit zumindest einem Bohrhaken versehen, darüber hinaus finden sich in der Route aber lediglich sechs weitere Bohrhaken als Zwischensicherung. Safety Discussion zweigt nach der ersten Länge der Jugendführe nach rechts ab, die Bewertungsvorschläge sind 9-, 9-, 9+, 8+, 10, 9+, 9+/10-, 10-, 5, 6. Wiederholer sollten zwei Set Friends (bis #5), ein gutes Sortiment an Klemmkeilen und Normalhaken und auch ein paar Cliff mitnehmen.
Text: David Lama, kletterszene.com Foto: ASP Red Bull (Klingler und Rich)
  • Beitragsdatum 22. Januar 2013