Roger Schäli und Simon Gietl gelingt die Erstbegehung der Route „Black Roses“ am Devils Paw Northtower in Alaska
Roger Schäli und Simon Gietl gelingt vom 18. auf den 19. Mai 2015 die Erstbegehung der Route „Black Roses“ am Devils Paw Northtower in Alaska, USA. Der Aufstieg erfolgte dabei innerhalb von 19 Stunden, der Abstieg innerhalb von fünf Stunden. Der Name der Route rührt von der Erscheinung großer, schwarzer Flechten am Grat her, welche die beiden Kletterer an schwarze Rosen erinnerten.
Schon oft hatte Heli Putz vom Devils Paw geschwärmt, welchen er durch seine unzähligen Jahre als Ski-Guide in dieser Region bestens kennt. Der Devils Paw ist der majestätische Grenzberg zwischen Alaska und Kanada, circa 30 Kilometer östlich von Juneau, Hauptstadt von Alaska. Nach vielen Anläufen sowie aufwendigen und nervenaufreibenden Terminverschiebungen sollte es nun letzte Woche endlich soweit sein!
Gemeinsam mit meinem Freund und Kletterpartner Simon Gietl sowie mit Unterstützung durch die beiden Guides Heli Putz und Ed Shanley machten wir uns auf den Weg zum Fuße des Devils Paw, wo wir unser Basislager aufschlugen. Ed Shanley ist ein herzensguter Local-Guide: Durch seine Seelenruhe räumte er uns nicht nur viele kleine Stolpersteine aus dem Weg und gab wortwörtlich sein letztes Hemd für unsere Kletterei, sondern tauschte auf dem Gletscher sogar seine dünneren Socken gegen die meinen, damit ich ein paar Passende für meine engen Kletterfinken haben würde!
Bei bestem Frühlingswetter erreichten wir auf Skiern innerhalb einer Stunde vom Basislager aus den Anfang des jungfräulichen, sehr steilen Nordostgrats des Devils Paw. Nach den ersten Klettermetern mussten wir schnell erkennen, dass dieser Grat – mit zwei pfeilerartigen, imposanten senkrechten Aufschwüngen und der steilen Gipfelwand, welche mit dem angeklebten Schnee schnell Erinnerungen an den Cerro Torre wach werden ließ – kein Spaziergang werden würde! Wir kehrten daher zurück ins Basislager und präparierten dort einen kleinen leichten Rucksack für den Vorsteiger. Der Nachsteigerrucksack mit einem ultraleichten Wandzelt als Windschutz, einem Kocher, etwas Nahrung sowie den Steigeisen wurde dabei wieder einmal mehr zu schnell voll und schwer. Obwohl wir auf unsere Schlafsäcke für die bevorstehende Biwaknacht verzichteten – in der Hoffnung, dass es wirklich nur eine Nacht werden würde – verbesserte das Zurücklassen der Schlafsäcken das Leiden des Nachsteigers in den senkrechten Kletterstellen lediglich kaum spürbar!
Am nächsten Morgen – es war Montag, der 18. Mai – starteten wir unser Abenteuer. Die Kletterei verlangte uns alle Fertigkeiten ab. Schwierige Wegfindungen waren ebenso ein Problem wie die schweren Kletterstellen, die zeitweise nass und dann wieder von Schnee und Eis überzogen waren. Oft auch galt es lose, große Felsblöcke mit viel Gefühl und Geschick zu übersteigen. Die Gewissheit, dass durch einen Felsausbruch durch den Vorsteiger der Sichernde mit Sicherheit getroffen werden würde, verstärkte zudem die angespannte Stimmung. Als ich während des Sicherns einen störenden Felsblock vor meinen Füßen lostrat, rief mir Simon nervös von oben zu, ob ich das nicht bitte sein lassen könne! Der Klang des unangenehm laut aufschlagenden Steins in der Tiefe erschreckte ihn so sehr, dass er fast schon annahm, es sei ein losgebrochener Stein, an welchem er sich gerade noch festgehalten hatte!
Am späten Abend lagen endlich die zwei wilden Felspfeiler hinter uns. Bei tiefem „Nasspulver“ spure ich Richtung Gipfelwand. Da das Spuren durch den zu steilen Nassschnee nicht nur ermüdend war sondern auch mehr als gefährlich, entschieden wir uns letztendlich für ein Biwak. Meine vom wasserartigen Schnee völlig durchnässten Beine und Füße ließen mich erst gar nicht auf eine gemütliche Nacht hoffen. Deshalb war keiner von uns unglücklich, dass wir das nasskalte Biwak schon nach vier Stunden abbrachen und uns weiter auf den Weg Richtung Gipfel machten. Mit dem immer besser werdenden ersten Tageslicht suchte ich entlang der Gipfelwand traversierend nach einer Schwachstelle. Ganz weit rechts wurde ich glücklicherweise endlich fündig! Ein wunderbar zu kletternder Riss-Kamin führte uns auf das lang ersehnte Gipfelschneefeld, über welches wir innerhalb weniger Minuten auch schon den Devils Paw Northtower erreichten! Für mich war es kein normaler Gipfelgang: Ich durfte schon viele Gipfel besteigen, doch dieser Moment war anders, intensiver und ich verspürte etwas ganz Spezielles in mir. Mir war bewusst, diese letzten Schritte in der atemberaubenden Landschaft unter der aufgehenden Sonne würde ich nie vergessen! Irgendwie fühlte es sich an, als wäre hier noch nie ein Mensch gewesen. Nach einer kräftigen Umarmung auf dem Gipfel setzten Simon und ich uns wortlos nieder und saugten den stillen, intensiven Moment einfach in uns auf! Fast drei Jahre waren nun vergangen, dass Simon und ich gemeinsam auf dem Arwa Spire unterwegs gewesen waren. Heute war es endlich wieder so weit, dass ich mit meinem „kleinen Bruder“ – denn so nenne ich Simon manchmal – schlagkräftige und ohne Worte harmonierend eine atemberaubende, wenn nicht sogar DIE schönste Bergtour klettern durfte. Dass wir dabei wirklich kaum einen Satz wechselten, da der Dialekt des jeweils anderen kaum zu verstehen ist, war offensichtlich kein Hindernis für uns!
Die sehr kräftige Morgensonne ließ leider kein endlos langes Ruhen auf dem Gipfel zu. Uns drohten steile Schneehänge, in welchen bald darauf Nassschneelawinen abgehen würden. So machten wir uns auf den langen, unbekannten Abstieg, über große Spaltenzonen, steile Hänge und das nicht mehr enden wollende 800 Meter hohe Couloir durch die Westwand des Devils Paw bis zu unserem Basecamp und Ausgangspunkt.
Ed und Heli empfingen uns herzlich mit Schokolade und Tee! Für mich aber waren das richtige Museumstage! So nenne ich diese ganz besonderen Tage, welche ich in mein „Lebensmuseum“ stelle und die ich dann in hohem Altern immer wieder mit viel Freude besuchen werde.
Roger Schäli
Facts
- Devils Paw Northtower – Erstbegehung Nordostgrat, 1000 Höhenmeter
- Routenname: Black Roses, Kletterstrecke 1200m, 6c, A1,M4
- Der Routenname entstand, weil die großen schwarzen Flechten am Grat aussehen wie schwarze Rosen.
- Erstbegangen im Alpinstil vom 18. auf den 19.Mai 2015.
- Aufstieg: 19h – Abstieg: 5h