Pietro Vidi auf den Spuren der „Hard Grit“-Legenden
Kaum ein Kletterer tobt sich aktuell so in der Vielfalt des Klettersports aus wie der junge Italiener Pietro Vidi. Neben Wiederholungen von Bouldern bis 8C+ fühlt er sich auch in anspruchsvollem Alpingelände sichtlich wohl – wie bei seiner Begehung von Joy Division (8b, 800m). Und weil das Klettern noch so viel mehr zu bieten hat, ist er auch dem Trad-Klettern nicht abgeneigt.
Wie wohl jeder Kletterbegeisterte wollte auch Pietro Vidi einmal im legendären Peak District klettern und auf den Spuren von Legenden wie Jerry Moffat, Ben Moon und Johnny Dawes wandeln. Also schlug er vor knapp einer Woche sein Lager nahe Sheffield auf. Ohne zu viel vorwegzunehmen: Die Tickliste kann sich schon jetzt sehen lassen.

Dass sich Pietro mit einer Begehung von The End of the Affair (E8 6c) in Curbar quasi „warmkletterte“, ist ein Statement für sich. Die 14 Meter hohe Kante verlangt nicht nur technisches Know-how: Die einzige Sicherung wird nach den ersten vier bis fünf Metern platziert, die Crux wartet aber erst kurz vor dem Ausstieg. Ein Sturz dort wäre fatal – es sei denn, der Sicherungspartner springt im richtigen Moment von seinem Block, um einen Grounder (Bodensturz) zu verhindern.
Pietro verlor keine Zeit und holte sich zwei Tage später mit Braille Trail (E7 6c) und Grandad’s Slab (E8 6c) zwei weitere Routen mit ähnlichem Grounder-Potenzial. Wer schon einmal dort war, weiß: Zeit ist in kaum einem anderen Klettergebiet so kostbar wie im Peak District. Denn gute Haut und trockenes Wetter passen dort selten perfekt zusammen.
Auf den Spuren von „Hard Grit“
Die ältere Generation – wir reden hier vom VHS-Kassetten-Zeitalter – erinnert sich vielleicht noch an den Kultfilm „Hard Grit“ und die legendäre Szene, in der Jean-Minh Tri-Thieu in Gaia (E8 6c) vom Sloper rutscht, dem Grounder nur knapp entkommt und sich „nur“ das Bein bricht. Diese Szene machte der Kletterszene weltweit klar, wie mental anspruchsvoll (und auch ein bisschen verrückt) die englische Kletterkultur ist.
Auch Pietro kennt diesen Film. Und so wagte er sich neben Gaia auch noch in Meshuga (E9 6c) – eine Route, die man quasi free solo klettert. Der einzige Sicherungspunkt hilft maximal der Psyche, und selbst die weiß, dass man ab der Wandmitte komplett auf sich allein gestellt ist.
Für mich wahrscheinlich die zwei ikonischsten Routen aus ‚Hard Grit‘ und diejenigen, die mich zu dieser Reise inspiriert haben!
Pietro Vidi

Mit Dynamics of Change (E9 7a), die wie auch schon die erwähnten Routen zu den schwersten und gefährlichsten Routen Englands zählt, legte Pietro noch einmal eins drauf.
2009 gelang dem damals noch jungen Pete Whittaker im Alter von nur 16 Jahren die Erstbegehung von Dynamics of Change. Sie war in vielerlei Hinsicht bahnbrechend: nicht nur wegen ihrer enormen Schwierigkeit und dem extremen Aufhocker, sondern auch, weil sie Pete Whittaker schlagartig als feste Größe in der britischen Kletterszene etablierte. Erst fünf Jahre später bekam die Route durch Neil „Nige“ Kershaw ihre erste Wiederholung. Die dritte Begehung ließ bis März dieses Jahres auf sich warten, als sie sich Jim Pope holte.
Da sich Braille Trail und Dynamics of Change den Ausstieg teilen, kannte Pietro die letzten wackligen Meter von Petes Testpiece bereits. Warum also aus dem Send-Train aussteigen, wenn man das Ticket schon gelöst hat?
Das ikonische Foto von Pete Whittakers von seinem Mantle in die Platte spukte mir jahrelang im Kopf herum. Es fühlt sich unwirklich an, das endlich selbst zu klettern! Beim Durchstieg lief an der Crux alles glatt, aber auf der Abschlussplatte hatte ich einen echten Schreckmoment, als ich einen entscheidenden Griff zu tief ansetzte. Zum Glück konnte ich cool bleiben und die Züge zu Ende bringen.
Pietros Kommentar nach seiner Begehung
Seinen vierten Klettertag im Peak District beendete Pietro Vidi übrigens noch mit den Flash-Begehungen von Balance it is (E7 6c) und dem Higball Samson (8A). Man darf gespannt sein, was bei diesem Trip noch alles kommt.
Video-Link: https://youtu.be/Bwu144guQyo?si=vjhQnNPYqmgQICGq