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Meine Erlebnisse beim Einbohren und Erstbegehungen [Angy Eiter]

Im Klettersport habe ich viele Möglichkeiten, mich zu entfalten. Üblicherweise teste ich meine Grenzen in bestehenden Routen als reiner Konsument. Lediglich ein einziges Mal, nämlich in Griechenland im Jahre 2015, legte ich selbst Hand an und errichtete an einem unberührtem Felsen meine eigene Route. Nun holte mich der Drang nach dem Erschließen meiner eigenen Linie wieder ein und ich suchte eine Wand für dieses Abenteuer.

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Mein Mann Bernie Ruech verspürt diese Leidenschaft Routen zu erschließen noch mehr als ich und bringt als langjähriger Routensetzer auch enorme Erfahrung mit. Mit ihm an meiner Seite habe ich also einen treuen Lehrmeister, der mir sämtliches hierzu beibringen kann. Für mein neues Vorhaben fanden wir eine passende Wand in Tirol, in der Nähe meiner Heimatregion Imst. Anfangs schreckte mich die äußerst brüchige Felsqualität ab, gleichzeitig zog mich die Umgebung mit ihrem leicht alpinen Touch magisch an. Bernie war guter Dinge und erklärte sich bereit mich zu unterstützen.

Eine Linie lachte mich besonders an: diese beginnt etwa bei der Hälfte des Felsriegels, traversiert nach links über ein sehr steiles Dach, wo sie am Ende noch einige Meter nach oben führt. Ich arbeite mich von oben abwärts an meine Linie heran. Zuerst schaffte ich mir einen Überblick und erkundete den kletterbaren Weg. Ich entfernte loses Gestein und Dreck. Dann setzte ich die Bohrhaken an festen planen Flächen in einer geraden Linie nacheinander. Neben der Festigkeit und dem Seilverlauf beachtete ich auch, dass die Sicherungen gut eingehängt werden können. Im oberen Teil schritt ich gut voran, während ich in der steilen Dachpassage viel mit dem Entfernen von losem Gestein beschäftigt war, bevor ich einen Haken setzen konnte.

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Da ich mich hier nach einigen Metern ziemlich unsicher fühlte, half mir Bernie weiter. Nach mehreren Stunden Arbeit stand mein Prachtexemplar zum erstmaligen Kletterversuch bereit. In einer Route, wo bislang noch keiner Hand angelegt hatte, musste ich verständlicherweise zuerst den kletterbaren Weg finden und weiteres loses Gestein abräumen. Dieser Prozess dauerte mehrere Tage, bis sich am Ende eine beständige Linie entwickelte. Das Ausforschen des Weges war ziemlich mühsam und gerade deshalb freute ich mich, als ich erstmals richtige Durchstiegs-Versuche in meine Linie reinhauen konnte.

Die Fortschritte verliefen anfangs sehr schleichend, bis sich dann größere Erfolgschancen auftaten. Ab diesem Zeitpunkt kam dem mentalen Bereich eine große Bedeutung zu. Jetzt lag es an mir, den Zeitpunkt meiner optimalen Performance so zu timen, dass ich das Ding knacken konnte. In mehreren Anläufen scheiterte ich, bis ich dann doch mein Zeitfenster der optimalen Leistungsbereitschaft fand und die Route knackte. Ich schrie vor Freude, als ich den Umlenker meiner eigenen gebohrten Linie knipste, die ich „Schatzinsel“ nenne. Was den Schwierigkeitsgrad angeht, ist sie nicht die schwerste, die ich bislang geklettert bin, aber sie gehört zu den meiner schwersten Routen. Wiederholer sind nötig um einen Konsens zu bekommen.

    Text: Angy Eiter, Kletterszene

    Foto: Claudia Ziegler 

  • Beitragsdatum 26. März 2020