Jakob Schuberts erster Kontakt mit Seb Bouin’s DNA (9c)
Es war nicht mehr als eine Stippvisite, die Erkenntnisse dafür beeindruckend und nachhaltig. Seit der Erstbegehung der Route „DNA“ in der Verdon-Schlucht durch den französischen Kletterer Seb Bouin im Frühjahr 2022 und dessen Bewertungsvorschlag 9c, konnte es der 32-jährige Schubert kaum erwarten an die steile Wand von La Ramirole zu fahren und mit „DNA“ eine der härtesten Routen des Planeten unter die Lupe zu nehmen. Im folgenden Interview gibt‘s nähere Einblicke zu Jakobs Eindrücken von der Route.
Du hast kürzlich der wahrscheinlich zweiten 9c-Route der Welt einen Kurzbesuch abgestattet. Was waren deine Erkenntnisse von Seb Bouin’s DNA im Süden Frankreichs?
Letzten November habe ich gemeinsam mit Jorg Verhoeven einen Kurztrip ins Verdon unternommen. Ich habe die 10-stündige Fahrt auf mich genommen, um vier Tage in dieser Route zu verbringen und zu sehen, wie DNA wirklich ist, ob ich mich ihr mehr und länger widmen sollte. Ich war überwältigt von der Schönheit der Verdon-Schlucht, der Wand von La Ramirole und der Route selbst. Sie ist einfach unglaublich.
Die Route macht wirklich Spaß und ich habe mich ziemlich gut gefühlt. Ich konnte alle Züge innerhalb von zwei Tagen machen. Auch dank Seb, der mir ein Video geschickt hat, und ich mir so einiges von ihm abschauen konnte, was mir sehr geholfen hat.
Was mich am meisten an der Route reizt, ist, dass es nicht einen alles entscheidenden Zug oder Passage gibt, sondern dass die Schwierigkeit von DNA darin liegt, all diese schwierigen Züge zusammenzufügen und in einem Stück zu durchzuklettern. Und offensichtlich ist es eine sehr attraktive Linie an einer wunderschönen Wand, das neue Video gibt wirklich nur einen ersten Vorgeschmack der einzigartigen Szenerie.
Kannst du uns kurz durch die Route führen, was macht ihre Schwierigkeit aus?
Die Route beginnt mit einer sehr kraftvollen 8c, eher kurz aber mit ein einigen harten Zügen. Seb hat eine Menge sehr kniffliger Knieklemmer gemacht, mit denen ich ziemlich zu kämpfen hatte. Am Ende dieser 8c findet man einen großen Knieklemmer, an dem man aber definitiv gut rasten kann. Die lange Schlüsselpassage beginnt dann mit einem 8a Boulderproblem gefolgt von einer sehr schlechten Rastposition und einem weiteren Boulder, der laut Seb bei ca 8a+ liegt. Ich bin mir nicht sicher, ob er nicht auch noch ein bisschen schwieriger sein könnte. Auf jeden Fall in Summe sehr herausfordernd, für mich persönlich vor allem der erste Boulder, da ich die maximale Reichweite meiner Arme einsetzen muss, um überhaupt von Griff zu Griff zu kommen.
Von dort geht es sehr kraftzehrend weiter: Zangen, komplexe Bewegungsabläufe, vor allem auch mit den Beinen, ein weiter Zug in einen Untergriff und laufend immer wieder sehr gewöhnungsbedürftige Knieklemmer. Alles in allem kommt mir die Route aber sehr entgegen und ich freue mich, dass ich für die schwierigsten Passagen eine Lösung finden konnte.
Von da weg zum Top ist es immer noch 8c/8c+, mit wohl der besten Kletterei überhaupt entlang von genialen Sintersäulen. Summa summarum ist die Route wirklich schwer und beeindruckend. Ich kann es kaum erwarten, für längere Zeit hierher zu kommen und zu versuchen, sie in einem Stück zu klettern. Ich bin auch gespannt mehr über Seb’s Prozess bis hin zur Erstbegehung der Route in seinem Film zu erfahren. So lang so hart an etwas zu arbeiten, bringt extreme mentale Herausforderungen mit sich.
Nach deiner wohl stärksten Saison mit Olympia-Bronze und dem 4. WM-Titel im Vorstieg 2021 hast du dir am Fels einen Namen als „Downgrader“ gemacht, ist DNA für dich 9c?
Viele Leute sind immer sehr an den Schwierigkeitsgraden der schwersten Routen interessiert. Was denkst du über Silence? Was denkst du über Project Big? Glaubst du, dass DNA tatsächlich eine 9c ist? Das ist natürlich sehr schwer zu sagen, wenn man erst ein paar Tage investiert hat. Ich denke, man kann eine Route erst dann bewerten, wenn man sie tatsächlich durchgestiegen ist. Man kann zwar Vermutungen anstellen, aber eine tatsächliche Bewertung ist erst danach möglich. Ich habe noch nicht wirklich versucht, alle Abschnitte zu verbinden, was sicherlich schwierig sein wird. Was ich im Moment sagen kann, ist, dass sie nicht schwieriger als 9c und nicht leichter als 9b+ ist.
Planst du bald wieder nach La Ramirole zu kommen oder wie sieht dein Plan für 2023 aus?
Ich bin ein eher spontaner Mensch. Ich würde also nicht sagen, dass ich mein ganzes Jahr bereits durchgeplant habe. Allerdings habe ich bestimmte Ziele, Routen, Boulder und Wettkämpfe, die ich ausprobieren oder bestreiten möchte.
Wenn es um Wettkämpfe geht, ist mein größtes Ziel heuer bei den Weltmeisterschaften in der Kombination unter die ersten drei zu kommen, um mir das Ticket für die Olympischen Spiele zu sichern. Wenn ich das nicht schaffe, werde ich natürlich für den europäischen Qualifikationswettkampf in Laval im November trainieren.Was Felsklettern betrifft, plane ich bis ins Frühjahr meinen Fokus aufs Bouldern zu legen, und dann hoffe ich Zeit für eine Reise nach Flatanger zu finden, um abermals Project Big zu versuchen. Sobald ich mein Olympia Ticket in der Tasche habe, gilt mein voller Fokus für den Rest des Jahres dem Felsklettern und da steht die Verdon Schlucht natürlich weit oben auf der Liste.
Die Ziele sind hochgesteckt, die Routen hart – klingt nach einem Jahr ganz nach Jakob Schubert’s Geschmack!