Helene Wolf und Lasse von Freier gewinnen die Deutsche Bouldermeisterschaft 2022


Durch die Überschneidung der beiden Wettkämpfe waren die Titelverteidigenden und großer Teile des Nationalkaders nicht anwesend. Trotzdem war diese Deutsche Meisterschaft Bouldern spannend wie kaum zuvor. Dies lag nicht nur am ausgeglichenen Feld sondern auch am spektakulären Routenbau, der viele artistische Bewegungen in den steilen Wänden forderte. Am Ende dominierten die Startenden aus Norddeutschland.

Die Qualifikation

In der Damenqualifikation kristallierte sich ein Duell zwischen Florence Grünewald und Helene Wolf heraus. In der ersten Finalrunde zeigte sich, dass noch ein paar andere Damen ganz vorne mitmischen wollten. Bei den Herren gab es neben Max Prinz noch etwa 10 weitere Favoriten. So viele würden es am Ende des Halbfinals nicht mehr sein können: Nur die besten sechs pro Geschlecht dürfen im Finale um die Meistertitel kämpfen

Die Semifinals

Keine Geschenke gab es für die Damen in diesem Halbfinale: Schon der erste Boulder, ein Volumenproblem, sah nur die Tops von Helene Wolf und der Augsburgerin Sandra Hopfensitz. Acht weitere Athletinnen erreichten Lediglich die Zonenwertung.

Der zweite Plattenboulder wurde hingegen häufiger durchstiegen und von Marlene Kappes wie auch Annika Müller sogar geflasht. Ein wichtiger Erfolg für Kappes, die damit noch in das Finale einziehen konnte.

Im dritten Boulder mussten die Damen gleich nach der Startposition nach rechts oben springen – zu weit, diesen Sprung schaffte niemand.

Damit hing alles am Erfolg in Boulder 4, der mit vielen Volumen durch die steilste Wandpartie führte. Lediglich 12 Frauen erreichten die Zone, das Top holte sich bis zur letzten Starterin, Helene Wolf, niemand. Diese lag nach drei Bouldern noch auf Platz acht – musste also dringend mindestens die Zone erreichen. Und das schaffte sie auch, sogar als Flash. Doch dann setzte sie noch einen drauf: Als Einzige erreichte sie das Top von Boulder 4 und belegte damit den 1. Platz nach dem Halbfinale

Während die Damen mit einem Boulder ihre Probleme hatten, waren es bei den Herren zwei: Lediglich zwei Boulder sahen regelmäßige Begehungen, Boulder drei, der mit einer Balancepassage begann, konnte nicht geklettert werden.

Der erste Boulder führte durch einen mäßig steile Partie in der Wettkampfwand und nötigte den Athleten gleich nach dem Start komplexe, halbdynamische Züge nach links ab, bevor es über einen abschüssigen Griff zum Top ging. Zehn Athleten erreichten den Topgriff, sieben immerhin die Zone.

In Boulder Nummer zwei wurde ein weiter Sprung abgefragt, bevor es steil Richtung Top ging. Auch hier holten 10 Athleten das Top und drei die Zone, die hinter dem Sprung lag.

An dem dritten Boulder war für fast alle Athleten Schluss und er sah wie erwähnt keine Wertung.

Der letzte Halbfinal Boulder, stellte ebenfalls die meisten Athleten vor unlösbares Probem. Erst Yannick Nagel kam als 16. Starter mit einer anderen Beta auf die Matte und unter frenetischem Jubel des Publikum zum ersten Mal die Zone erreichte. Lasse von Freier setzte noch einen drauf: Er schaffte als Einziger das Top und gewann so verdient dieses Halbfinale, zweiter wurde Nagel.


Die Finals

Im Finale der Herren trafen aufeinander: Lasse von Freier, Yannick Nagel, Thorben Perry Bloem, Florian Wientjes, Elias Arriagade Krüger und Mats Habermann . 

Der Startboulder fragte Power ab: Eine steile Wand, kleine Leisten und abschüssige Tritte waren die Zutaten für diesen unangenehmen Cocktail. Nach dem Start ging es weit nach rechts oben an die Zone. Doch danach folgte erst die Crux: Simultan einen Toehook setzen und nach oben greifen. Schwierig zu lesen, doch die Athleten hatten zuvor Zeit, die Boulder zu besichtigen – anders als in der Quali und im Halbfinale. Die Zone war noch relativ leicht zu bekommen, doch der Top-Griff lag für fast alle Athleten zu weit entfernt. Florian Wientjes, der Leistenknaller aus München, kam mit den Anforderungen als Einziger zurecht. Eine Abkürzung nahm Lasse von Freier, er sprang ohne Hook direkt nach oben – und blieb am Top-Griff kleben. Flash und Führung für ihn!

M2 führte durch eine steile Wandpartie: Ein Aufrichter an einer riesigen Kugel, danach ging es kleingriffig nach oben und wieder nach links unten, dort wartete die Zone. Nun ging es irgendwie mit Hooks und weiten Zügen an Mini-Griffen nach oben zum dreieckigen Top. Eine komplex aufzulösende Situation, die beinahe von jedem Athleten anders gelöst – oder nicht gelöst wurde. Elias Arriagada Krüger, Thorben Perry Bloem und Yannick Nagel flashten M2, von Freier benötigte zwei Versuche mehr, Wientjes und Habermann mussten sich mit der Zone begnügen.

Die Elemente des vorletzten Boulders waren als O um eine Verschneidung angeordnet. Los ging es links an einem positiven Volumen in zwei Metern Höhe, an dem alle Gliedmaßen positioniert werden mussten. Danach galt es, dort Schwung zu holen und auf einem großen, abschüssigen Dreieck zu landen und sich an der Leiste dort zu stabilisieren. Nun musste man den Boulder über ein zweites Dreieck laufend queren und über die Zone an kleinen Griffen zum Top klettern. Eine unmögliche Aufgabe, so schien es. Doch bereits Elias Arriagada Krüger als Starter Nummer zwei konnte die Zone berühren. Wientjes schwang noch dynamischer, überlief beide Volumes und hatte schließlich im siebten Versuch die Zone fest in der Hand. Lasse von Freier, bisher als Einziger mit zwei Tops, hätte an diesem Boulder mit einem Top vorzeitig gewinnen können. Doch auch er rutschte immer wieder von den Dreiecken ab. So erreichte Wientjes als Einziger die Zonenwertung und schob sich vor dem letzten Boulder auf Platz zwei vor.

Lasse von Freier hatte es jetzt selbst in der Hand: Mit einem Top wäre ihm der Sieg nicht mehr zu nehmen. Und würde kein anderer toppen, wäre er auch sicher auf dem obersten Podium. Eine angenehme Ausgangslage – vor allem, weil es der Boulder extrem in sich hatte: In der steilsten Partie der Wand mussten alle vier Gliedmaßen zum Start weit voneinander positioniert und in der Wand verspreizt werden, wie eine Spinne hing man im Überhang – ein Problem für die kleineren Finalisten? Danach mit einem Sprung an einen gedeckelten Henkel und mit einem Heelhook aufstehen und zum Top. Ein langer Boulder.

Mats Habermann tat sich in diesem Boulder schwer und beendete das Finale auf Rang sechs mit zwei Zonen. Elias Arriagada Krüger erreichte schon beim ersten Versuch die Zone, im 5. Versuch hatte er das Top in der Hand. Damit war wieder alles offen und Lasse von Freier musste dringend liefern – mindestens die Zone. Doch zunächst kam Florian Wientjes aus der Call Zone. Auch er tat sich mit seiner eher kleineren Spannweite härter mit den weiten Zügen und beendete mit zwei Zonen und einem Top den Wettkampf auf einem starken vierten Platz. Thorben Perry Bloem tat sich leicht. Er konnte den Sprung aufgrund seiner großen Spannweite sogar statisch klettern und flashte diesen Boulder. Wie würde sich der Vorletzte im Feld, Yannick Nagel, schlagen? Auch er besitzt nicht die größte Spannweite. Nagel erreichte nicht die Zone und wurde Fünfter. Was würde Lasse von Freier jetzt machen? Um auf dem ersten Platz zu landen, musste er diesen Boulder zwingend machen. Doch dieser ließ nichts anbrennen. Ein Flash und Platz 1 für ihn. Zweiter wurde Thorben Perry Bloem, die Bronzemedaille feierte Elias Arriagada Krüger.

Die Finalboulder waren ziemlich geil. Ich würde sagen, bis auf den Dritten war das alles ziemlich mein Style und beim Dreier hat keiner so richtig verstanden, wie er funktionieren sollte, also war das auch okay. Die Zuschauer haben mich schon ziemlich gepusht und wenn man dann mal am Top-Griff hängt, und alle jubeln, dann kriegt man schon Gänsehaut. Es ist ein sehr schönes Gefühl, als Sieger herauszugehen

so Lasse nach dem gewinn der Deutschen Meisterschaft

Im Finale der Frauen Helene Wolf, Sandra Hopfensitz, Franziska Ritter, Florence Grünewald, Charlotte Schiefer und Marlene Kappes gingen an den Start:

Der erste Boulder war ein diffiziles Körperpositions-Problem im Überhang. Nach einem unangenehm wackeligen Aufsteher ging es über eine gute Sloperleiste und dann abschüssige Volumen mit kleinen Leisten nach oben zum Top. Für die meisten Teilnehmerinnen stellte er allerdings kein großes Problem dar – fünf der sechs Damen kletterten ihn, zwei davon im Flash.

Im Überhang blieb auch Boulder zwei– diesmal allerdings im steilsten Teil der Wettkampfwand. Das war wohl das ungewöhnlichste Problem: Beide Hände mussten zu Beginn in zwei Rissen verklemmt werden. Das sieht man im Wettkampf auch nicht alle Tage. Dann führten Leisten in eine zweite Risspassage und von da ging es an den rettenden Zielgriff. Dieser war zwar gut, musste allerdings kontrolliert angeklettert werden, da ein anderer Griff darüber verschraubt war und ein allzu dynamisches hinspringen verhinderte. Die Zone schien noch leicht zu holen, der zweite Riss allerdings schmerzhaft und unüberwindbar. Doch dann kam Franzi Ritter: Sie verklemmte Hände und Füße in den Spalten zwischen den riesigen Volumen und fiel im Flash erst kurz vorm Top. Im zweiten Versuch ging ihr der Saft aus, es blieb bei der Zone. Soweit wie Ritter kam keine der anderen Teilnehmerinnen und damit blieb dieser Boulder ungeklettert.

Mit Große Volumen und abschüssigen Auflegern und kleinen Leisten am dritten Boulder weiter. Im Zick Zack ging es pressig in Richtung Top, das auf einem herausstehenden schwarzen Sechseck thronte. Für den letzten Zug hieß es alles oder nichts: Ein dynamischer Sprung nach rechts kostete am Ende nochmal Überwindung und Körperbeherrschung. Schon die Zone wollte hart erkämpft werden. Das schafften zwar noch alle, beim finalen Sprung lieferte aber nur Helene Wolf. Damit setzte sie sich klar vor den anderen ab. Wenn sie jetzt nichts mehr verschenkte, war ihr der Sieg sicher. Überraschungen hat es aber immer schon gegeben…

Der erste Platz schien gesichert, aber mindestens bei Platz zwei und drei war noch fast alles offen. Diese Entscheidung fiel erst im letzten Boulder: Von den Startgriffen ging es schnurstracks über Volumen und Leisten geradeaus nach oben an die Zone, doch dann klaffte eine Lücke. Die kommenden Griffe waren zwar auffällig gut, aber weit weg. Hier war ein dynamischer Weiterleiter gefragt: Ein Schwungbein gab die nötige Energie nach rechts, dann hieß es für die Hände: Rechts, links und wieder rechts direkt ans Ziel – alles ohne an einem Zwischengriff länger zu verharren. Die Athletin, die diesen Boulder mit den wenigsten Versuchen toppte, landete vorne. Hopfensitz blieb bei der Zone, Schiefer brauchte vier Versuche, Ritter nur drei, und Grünewald nur zwei. Wolf musste lediglich im ersten Versuch an die Zone klettern um ihren Vorsprung zu sichern. Das gelang ihr – und nicht nur das: Sie machte kurzen Prozess, flashte den Boulder und wurde Deutsche Meisterin, gefolgt von Florence Grünewald und Franziska Ritter.

Ich bin sehr stolz, dass ich cool geblieben bin. Oft wenn man weiß, man hat irgendwie einen kleinen Vorsprung, dann setzt das einen auch noch auf eine Art unter Druck und deswegen habe ich mich sehr gefreut, dass ich beim letzten Boulder cool bleiben konnte und nochmal zeigen konnte, wofür ich trainiert hab.

so Helene Wolf

Ergebnisse der Deutschen Bouldermeisterschaft 2022

Damen:

1 WOLF Helen
2 GRÜNEWALD Florence
3 RITTER Franziska

4 SCHIEFER Charlotte
5 KAPPES Marlene
6 HOPFENSITZ Sandra
7 NESTERENKO  Daria
8 MÜLLER Annika
9 WENNEMANN Luisa
10 SCHRÖDER Jasmin
11 LECHNER Lara-Maike
12 GUTTENBERGER Mia

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Herren:

1 VON FREIER Lasse
2 BLOEM Thorben Perry
3 ARRIAGADA KRÜGER Elias

4 WIENTJES Florian
5 NAGEL Yannick
6 HABERMANN Mats
7 PRINZ Max AlpinClub 
8 WÜRTHNER Tim
9 HANS Moritz
10 ZIMMERMANN Emil
11 ERTAN Silas
12 SIEDLER Michel

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  • Credits Text Franz Güntner / DAV, kletterszene.com
  • Credits Fotos DAV/Nicolas Altmaier
  • Beitragsdatum 13. Juni 2022