Fixe Exen sind bequem, aber auch gefährlich [Wichtig]

Ende September hat sich in Graubünden ein tödlicher Unfall durch einen Seilriss ereignet. Da dies bestimmt die größte Horrorvorstellung für alle Kletterer ist, wollten wir wissen wie so etwas heutzutage, trotz moderner Materialien, passieren kann. Vorab möchten wir noch erwähnen, dass der Verunglückte durchaus zu den erfahrenen Kletterer gehörte und mit diversen Erstbegehungen und harten Wiederholungen die  Klettergärten und die Szene rund um Sargans prägte.

Folgendes Ergaben die polizeilichen Untersuchungen:

Der Verstorbene kletterte eine Route, bei der die Expresschlingen fix montiert waren. Als er wenig oberhalb einer solchen fixen Expressschlinge bewusst einen kontrollierten Sturz ins Seil machte, riss das Seil und der Kletterer stütze 25 Meter in die Tiefe.

Dass Seil wurde an diesem, durch die Seilreibung scharfkantig ausgeschliffenen Karabiner durchtrennt. Die sehr scharfe Kante an diesem fixen Karabiner sind über einen längeren Zeitraum durch ungünstige Seilreibung entstanden.

Das solche abgenutzte Karabiner zu einem Seilriss führen kann, ist bis dato bestimmt keine so richtig bewusst gewesen. Aber dieser Unfall ist kein Einzelfall. Denn schon 2010 hat Black Diamond einen Test wegen so einem Unfall in den Red River Gorge durch geführt.

Folgendes ergab dieser Test:

Welche Karabiner werden eigentlich stark eingeschliffen und warum?

Nach  Beobachtungen in vielen Routen über das ganze Land verteilt sind Black Diamond drei Orte aufgefallen, an denen häufig fixe Karabiner mit tiefen Schleifspuren zu finden sind:

  • Erster Haken
    Die sichernde Person ist meistens zu weit von der Wand entfernt. Dies führt zu einem steilen Winkel im Seil von der sichernden Person zum ersten Karabiner und dann die Route hinauf. Beim Ablassen der kletternden Person schleift das häufig staubige Seil langsam aber sicher eine Kerbe in den Karabiner. In beiden Fällen, bei denen das Seil vollständig durchtrennt wurde, geschah dies am ersten Haken.

 

  • Haken neben Schlüsselstelle
    Viele Kletterer werden am selben Karabiner abgelassen (und stürzen an der Schlüsselstelle in denselben Haken). Dies hat den gleichen Effekt wie oben beschrieben. Der steile Winkel, mit dem das Seil durch den Karabiner läuft, und das Gewicht des Kletterers, der abgelassen wird, ermöglicht ein langsames Abschmirgeln des seilführenden Karabiners.

 

  • Haken, die sich ausserhalb der Linie befinden
    Befindet sich ein Bohrhaken ausserhalb der geraden Linie nach oben, kann dies ein Abschleifen des entsprechenden Karabiners zufolge haben. Auch in diesem Fall läuft das Seil in einem steilen Winkel über die Karabineroberfläche.

 

Tests:

Wir haben schon früher einige Tests durchgeführt. Wir wollten jedoch einige schnelle Tests an unserem Drop Tower durchführen. Uns interessierte, welche Kräfte auf einen scharfkantigen Karabiner einwirken müssen, um ein Seil zu durchtrennen. Wir wählten ein gravierendes aber realistisches Belastungsszenario.

Setup

  • Eingeschliffener Karabiner mit scharfer Kante (für den Test wurde der Karabiner im vorangehenden Foto verwendet)
  • 80 kg Gewicht
  • Brandneues 10,2 mm Seil
  • Ein schwerer aber realistischer Sturz
  • Statische Sicherung

Ergebnis

  • Das Seil wurde beim ERSTEN Sturz durchtrennt (siehe Foto unten)
  • Maximal erreichte Belastung – ~7 kN

 

Diskussion

Was ist also bedeutet dieses Ergebnis? Was bedeuten 7kN am Sicherungspunkt? Welche Bedeutung hat das für dich, die Ausrüstung und das Seil?

Also… Stürze mit 7 kN können am Fels auftreten.  Unter den folgenden Umständen kann diese Situation vorkommen:

  • Wenn noch nicht viel Seil ausgegeben wurde (z.B. am Routenstart). Wenn erst wenig Seil ausgegeben wurde, kann das Seil nur wenig Sturzenergie absorbieren.
  • Wenn die Sicherung fast statisch erfolgt (z.B. wenn die sichernde Person das Seil einzieht oder sogar einen Schritt zurücktritt, um zu verhindern, dass der Kletterer auf den Boden stürzt). Die Belastung nimmt durch dynamisches Sichern ab und durch statisches Sichern zu.

Der Kletterer spürt diese Art der Stürze auf unangenehme Weise. Die Nieren werden gequetscht, die Hüften geprellt und selbst die Füsse können nach dem harten Auftreffen auf die Wand schmerzen. Ich habe schon viele Kletterer gesehen, die in den ersten oder zweiten Haken gekracht sind – meistens gefolgt von Flüchen und einem genervten „Ablassen“.

Erfolgt ein solcher Sturz früh in der Route in einen eingeschliffenen Karabiner, und das Seil läuft in einem ungünstigen Winkel über die scharfe Kante der Kerbe (die sichernde Person steht mit einiger Entfernung zur Wand), kann diese Situation zu Beschädigungen am Seil führen oder das Seil vollständig durchtrennen.

Zusammenfassung

Der BD Mitarbeiter und somit auch Autor von diesem Artikel, möchte keine ethische Debatte daraus machen, ob fixe Expressschlingen in der Route belassen werden sollten oder nicht. Es gibt jedoch einige Vorsichtsmassnahmen, um die Belastung auf fixe Schlingen zu reduzieren:

  • Beim Sichern und beim Ablassen nahe an der Wand stehen.
  • Bei Routen mit fixen Schlingen am ersten Bohrhaken eine eigene Expressschlinge verwenden.
  • An Bohrhaken „ausserhalb der Linie“ lange Schlingen verwenden, um die Seilreibung zu vermindern.
  • An stark beanspruchten Sicherungspunkten fixe Schlingen mit Stahlkarabinern verwenden.

Und natürlich ist es wichtig im Interesse aller Kletterer, abgenutzte und beschädigte fixe Schlingen auszutauschen.

 

Text: Black Diamond, kletterszene.com Quelle: Kletterblog Fotos: Black Diamond

 

  • Beitragsdatum 18. Oktober 2012