Max Reichl Fran Hinterbrandner Interview

Filmen am Limit: Max Reichl und Franz Hinterbrandner
im Interview

Wir schreiben das Jahr 1998. Ein Großteil der Ks.com Redaktion war zu diesem Zeitpunkt noch hoch motiviert und hart am schürren. Damals, als der Magic Wood noch seine Magie hatte und im Zillertal noch keine Bluetoothboxen zum Bouldern benötigt wurden, da Mutternatur auch ohne Beschallung einfach nur schön war, liefen zwei junge Berchtesgadener mit Digicams zwischen den tessiner Blöcken herum und filmten den ein oder anderen Go ihrer Freunde. Dass sich da unser „Chef“ reingemogelt hatte, hätte auffallen können – war dann aber schon zu spät, er hatte seinen kurzen Auftritt und man traf sich dann immer öfters. 

Auch wenn die kleinen Pfade im Avers nun ausgetrampelte Wege sind und die Digicams diversen HDTV-Kinokameras und Drohnen wichen, hüpfen die beiden immer noch zwischen den Blöcken herum. Nur sind diese unter Anderem Dank den Huberbuam, Bernd Zangerl oder auch Stefan Glowacz etwas höher und abgelegener. Auch wenn wir persönlich die allerersten Bouldervideos am besten fanden, den großen Durchbruch hatten die beiden mit dem Film „Am Limit“. Seitdem sind Max Reichel und Franz Hinterbrandner aus der Bergfilm-Branche nicht mehr wegzudenken. Quasi Megos, Ondra und Sharma der bewegten Bilder in der vertikalen Branche.

Diese Tatsache kombiniert mit der Aussicht auf den Watzmann in Verbindung mit einem guten Weißbier, war Anlass sich mit den beiden zu treffen und über ihr Leben in den Wänden des Karakorums, der Antarktis oder Baffin Island zu reden. 

Servus miteinand’, scho lang nimma gseng!

Ihr habt so viel erlebt, dass wir gar nicht wirklich wissen, wo wir anfangen sollen. Antarktis, Latok 1, Bavarian Direct, Jäger des Augenblicks, Eternal Flame, Cerro Torre oder Am Limit  sind ja nur ein kleiner Teil eurer Projekte, die ihr in den letzten Jahre gefilmt habt. 

Neben den ganzen spektakulären Orten, die ihr besucht habt, ward ihr auch dabei als die Expeditionsteilnehmer an ihre Leistungsgrenzen gegangen sind. Gibt es manchmal Situationen, in denen ihr euch bewusst seid, dass ihr eventuell Zeugen eines Unfalls werden könntet, wenn dieser eine Zug nicht klappt? Und wie geht es Euch damit, das dann auch noch auf Kamera festzuhalten? 

Gerade bei Alex seinen Solos, war es immer schwierig, da es ja durchaus möglich war, dass ein Freund stirbt wenn er einen Fehler macht. Da braucht man schon ein sehr großes Vertrauen in den Kletterer. Jeden hätten wir sicher nicht beim Free Solo Klettern gefilmt. Bei der Großen Zinne waren wir wahrscheinlich psychisch wesentlich fertiger wie Alex.

Hab ihr Erinnerungen an Situationen, die ihr so schnell nicht mehr vergessen werdet?

Sowohl positiv wie auch negativ, gibt es natürlich sehr viele Situationen die man nie vergessen wird. Egal ob Landschaften, Menschen, Gipfelerlebnisse, lustige und auch skurrile Situationen. Wir haben in den letzten 20 Jahren sehr viel schöne und aufregende Abenteuer in den unterschiedlichsten Regionen und Bergen dieser Welt, mit den unterschiedlichsten Leuten erleben dürfen die wir nie vergessen werden.

Leider gab es nicht immer nur tolle Momente sondern auch einige auf die wir gerne verzichtet hätten, die aber eben auch in Erinnerung bleiben und leider dazu gehören. Der Tot eines Ultramarathon Läufers in der Wüste Gobi, Bergsteiger die ihr Leben an den Bergen Pakistans ließen, Skiunfälle in Alaska bis hin zu den Abstürzen der Huberbrüder im Yosemite oder in den Berchtesgadener Bergen und generell unsere Freunde, die bei ihrem Sport gestorben sind.

Wie kann man sich so einen Arbeitstag im Oman oder Buffin Island vorstellen?

Die meiste Zeit verbringt man im Basislager und wartet auf besseres Wetter, man schmiedet Pläne, dreht alles mögliche, weil man immer der Meinung ist zu wenig Material zu generieren und wartet darauf, dass es los geht. Wenn es dann Richtung Berg geht läuft ohnehin unser eingespieltes Programm ab und die Kameras laufen heiß. Die Tage sind meist lang und bestehen nur noch aus essen, schlafen und drehen. Das schöne ist, die Langeweile ist dann weg und das Abenteuer da.

Also nix Hotel und Spabereich und abends noch ein Absacker an der Bar?

Verglichen zu den Weiten der Antarktis, dem ewigen Sandstrand der Sahara oder einem Gipfelerlebnis nach tagelangen Strapazen in Baffin Island ist wohl das beste Hotel nur eine billige Absteige und den Absacker hatten wir natürlich immer dabei.

Was schleppt ihr alles an Ausrüstung mit? 

Der Umfang des Equipment ist natürlich immer unterschiedlich, was wir aber immer dabei haben sind Kamera, Objektive und Akkus. Mit der Ausrüstung, die man ohnehin schleppen musst kommt man dann schon auf 20 – 35 Kilogramm, je nach Anforderung natürlich.

Wie kommt ihr eigentlich mit dem ganzen Equipment nach oben? Habt ihr eure eigenen Sherpas oder schleppt ihr alles selbst? Und wer hängt euch die Seile ein? Das muss ja ein mords logistischer Aufwand sein?

Auch das ist immer unterschiedlich, wenn man aber in eine Wand einsteigt muss man alles selbst mitschleppen. In der Wand bewegen wir uns meistens an Fixseilen nach oben. Natürlich wird das immer schwieriger, je steiler und größer die Wand ist. Bei einer großen Wand mit 1000 Metern sollte man schon einen klaren Plan haben wie das ganze Unternehmen logistisch ablaufen sollte.

Wie plant ihr so eine Expedition? Klar, ihr könnt euch bestimmt zusammen mit den Kletterern auf die Gegebenheiten, die euch erwarten vorbereiten – aber natürlich habt ihr durchaus andere Dinge zu beachten, als der Kletterer selbst. Wie sehr ist das überhaupt im Vorfeld aus der Ferne planbar? 

Wir haben natürlich schon viel Erfahrung und kennen die Anforderungen die einem, z.B die extreme Kälte der Antarktis, die Feuchtigkeit des Dschungels, der Staub der Wüste oder die Wildheit Indiens oder Pakistans abverlangen. So können wir uns auf Drehs einstellen ohne unbedingt vor Ort gewesen sein zu müssen.

Und was wir nicht dabei haben, das wird improvisiert.

In ‚Am Limit’ habe ich gesehen wie ihr mit Aluleitern einen Steg gebaut habt, um in 800 Meter Höhe ca. 10 Meter von der Wand weg zu kommen. Wer kommt auf diese Konstruktionsideen und kommen die Aluleitern auch z.B. im Karakorum zum Einsatz?

Auf diese Idee sind wir gekommen, da im Yosemite kein Hubschrauber erlaubt war und alles andere nicht finanzierbar gewesen wäre. Ausserdem war es logisch, da das Grundprinzip bei jeder Seilbahn funktioniert. Auf Expedition setzen wir so etwas nicht ein, das wäre doch zu Aufwendig.

Wie ist es, teilweise wochenlang mit den Stars der Szene in der Wand rumzuhängen?  -> Wir sind ja unter uns, haben die auch ein paar Macken? Erzählt mal ein bisschen aus dem Nähkästchen. Gibt es Geschichten, die Euch besonders im Gedächtnis geblieben sind?

Für uns sind es ja keine „Stars“ sondern Freunde und die haben natürlich wie jeder andere auch ihre Macken. Gerade auf Expedition kann es da schon mal zu Reibereien kommen, das ist klar. Aber auch wenn da schon mal die Fetzen fliegen und herzhaft untereinender gestritten wird, verträgt man sich wieder und zieht gemeinsamn an einem Strang. Ganz gefährlich sind übrigens Gesellschaftsspiele

Jeder, der den Film Eiszeit über die Antarktis Expedition von Thomas und Alex gesehen hat, konnte den Streit der beiden mitverfolgen. Wie ist es, wenn sich Expeditionsteilnehmer, die von Natur aus zu einem gewissen Grad dem Egoismus oder der Exzentrik zugeneigt sind, in die Haare bekommen? Möchte man sich dann lieber im nächsten Zelt verstecken oder haltet ihr dann die Kamera drauf, denn man kann ja nie wissen ob es ein interessanter Teil der Geschichte sein könnte? 

Die beiden sind Brüder, die besten Freunde und gleichzeitig Konkurrenten. Sie sind eine der besten Seilschaften die es je gab und trotzdem sind sie Individuen und sehr starke Persönlichkeiten, bei denen es, wie bei anderen Brüdern auch, hin und wieder mal kracht.

In so einer Situation ist man als Freund dann auch mal mittendrin und muss als Vermittler herhalten. Am Ende Vertragen sich doch wieder alle und es geht besser weiter wie vorher.

Aber wir halten natürlich drauf, auch wenn es unangenehm ist.  Wir sind bei Expeditionen dabei um zu dokumentieren, dazu gehören auch die unangenehmen Momente, denn in der Situation weiß man noch nicht wie sich das ganze entwickelt und ob es schließlich für die Geschichte relevant ist/wird.

Habt ihr Ideen für zukünftige Projekte oder Expeditionsträume, die ihr gerne mal filmen möchtet? 

Wir sind offen für alles neue und sind nach wie vor bereit für neue Abenteuer. 

Dann sind wir mal gespannt wohin euch die Reisen noch führen und freuen uns auf gute Bilder. Danke und hoffentlich bis bald mal wieder.

Ein kleiner Auszug aus Timeline Productionen