Antoine Le Menestrel

Eine Frage der Verantwortung – Das französische Klettergebiet Aureille wurde gesperrt und weiteren Gebieten droht das Aus

Sperrungen von Klettergebieten sind zwar kein neues Thema, brisant ist allerdings die rasante Zunahme der Häufigkeit der Sperrungen von Zufahrtsstraßen, einzelner Wand-Sektoren oder ganzer Gebiete.

Seit Jahresbeginn ist das Klettern an den Wänden von Aureille (Provence) verboten.
Ebenfalls auf dem Prüfstand stehen die Gebiete Port-Miou (Cassis), Eyguières und Baou de l’Aigle (Cadolive).

Laut Gesetzeslage seit Januar 2023, kann der Eigentümer auf dessen Grund sich die Klettergebiete befinden, im Falle eines Unfalls haftbar gemacht werden.

Dass private Grundeigner das Risiko, potentiell zu Schadensersatzforderungen verklagt werden zu können nicht tragen wollen ist nachvollziehbar. Auch eine, im Februar 2022 vorgenommene Gesetzesänderung zur Abschwächung der Haftung des Grundeigners ändert daran nichts.

Im Falle der südfranzösischen Klettergebiete steht am Anfang der Geschichte ein Unfall in Vingrau im Jahr 2010. Eine erfahrene Seilschaft wurde damals schwer verletzt und reichte daraufhin eine zivilrechtliche Schadensersatzklage ein. Verantwortlich für das Gebiet zeichnete sich damals die Fédération française de la montagne et de l’escalade, kurz FFME (in etwa vergleichbar mit dem DAV).

Diese hatte, um langfristig das Klettern in vielen französischen Gebieten zu ermöglichen, in den vergangenen Jahrzehnten nahezu tausend Nutzungsvereinbarungen unterzeichnet. Damit übernahm sie die rechtliche Verantwortung für diese Gebiete und ihre Instandhaltung anstelle von privaten Eigentümern und diverser lokalen Behörden.

Aufgrund der dadurch entstandenen rechtlichen Situation konnte die FFME für den Unfall von 2010 haftbar gemacht, und zu einer Schadensersatzzahlung von 1,6 Millionen Euro verurteilt werden. 

Infolgedessen reagierte der Versicherer des FFME damit, das Versicherungsrisiko unter den geltenden Bedingungen zur Nutzung der Klettergebiete nicht mehr tragen zu wollen, es sei denn, es komme zu einer exorbitanten Beitragserhöhung.

Dies führte die FFME zur radikalen Lösung des „great déconventionnement“ mit dem Ziel, alle bisherigen Nutzungsvereinbarungen zum 01.01.2023 aufzuheben.

Da nun weder der Staat, noch ein Verein noch eine sonstige Instanz Grundeigner vor möglichen Schadensersatzklagen in Millionenhöhe im Falle von Kletterunfällen innerhalb ihrer Grundstücksgrenzen schützt, blieb am Ende nur, eine Sperrung zu verhängen.

Es ist verständlich, dass schwer Verunfallte, die sich plötzlich in einer Notsituation mit enormen Behandlungskosten konfrontiert sehen, die vorhandenen rechtlichen Möglichkeiten auch ausschöpfen.

Was bleibt ist ist die generelle Frage danach, inwiefern wir als Kletternde unseren Sport draußen in der Natur zu betreiben als eigenverantwortlich bestrittenes Abenteuer verstehen wollen; aber auch die Frage danach ab welchem Punkt wir zu glauben beginnen, dass uns die Erfüllung einer perfekten Dienstleistung durch freiwillig Verantwortliche wie Vereine oder Personen, die ihren privaten Grund für Kletternde öffnen zusteht.

Denn letztendlich ist die Natur eine sich ständig und bisweilen unerwartet wandelnde Umgebung, die sich nie zur Gänze instand halten lassen wird. Sie ist kein gewerbliches Angebot für das Sportler Eintritt bezahlen und einen Haftungsausschluss unterschreiben.
Solange Vereine, sonstige öffentliche Instanzen oder auch Privatpersonen mit dem real gewordenen Risiko, potentiell zu Schadensersatz in Millionenhöhe verklagt werden zu können konfrontiert sind, werden Sperrungen von Klettergebieten oftmals die einzige Lösung bleiben.

Aktivieren Sie JavaScript um das Video zu sehen.
Video-Link: https://youtu.be/3Qln7Ui7Gvo
  • Credits Text Hanna Rexer / kletterszene.com
  • Credits Fotos Antoine Le Mènestrel/ Ks.com Archiv
  • Beitragsdatum 20. Januar 2023