Deutsches Team kehrt mit Achtungserfolgen zurück

Das Jahres-Highlight der Kletterer ist zu Ende: Am vergangenen Sonntag endete die Weltmeisterschaft im chinesischen Xining, bei der sich das DAV-Team mit guten Platzierungen aber ohne ein herausragendes Top-Resultat zufrieden geben musste. Wie viele andere Kletterer haderten die Deutschen mit den extremen Bedingungen (Hitze, 2300m Meereshöhe) und mit Magen-Darm-Problemen. Trotz dieser widrigen Umstände war die WM ein sehr gelungenes Kletterfest – mit jeweils 5000 Zuschauern zu den Finals und enormen Medieninteresse (das Chinesische Fernsehen übertrug alle Wettkämpfe live) zeigten die Chinesen, wie man eine solche Veranstaltung idealerweise inszenieren muss.
In der Boulderkonkurrenz hatten die Deutschen mit Jonas Baumann (Wuppertal) immerhin noch einen Starter im Halbfinale der besten 20: Baumann konnte WM Kletterwandallerdings seine Top-Platzierungen aus der gerade abgeschlossenen Weltcup-Saison in China nicht wiederholen, er scheiterte im Halbfinale und belegte am Ende den aber noch achtbaren 14. Platz. Markus Hoppe (SBB) hatte Pech und verpasste als 21. denkbar knapp das Halbfinale. Die weiteren deutschen Starter hatten mit den Auswirkungen einer Magen-Darm-Geschichte zu kämpfen und landeten abgeschlagen noch weiter hinten im Klassement: Peter Würth (Ludwigshafen) wurde 37.; Jan Hojer (Frankfurt) 39. und Christian Bindhammer (Allgäu-Kempten) 55. So hatten die Deutschen auch nichts mit der Medaillenvergabe zu tun: Hier holte sich der Russe Alexey Rubtsov, der bei der WM erstmals überhaupt in einem internationalen Finale stand, völlig überraschend den Titel vor seinem Landsmann Rustam Gelmanov und dem Briten David Barrans, der damit ebenfalls den größten Erfolg seiner Karriere feierte.

Bei den Damen hatte die einzige deutsche Starterin, Juliane Wurm (Wuppertal) – ebenfalls magentechnisch schwer angeschlagen- leider keinen Auftrag in der Juliane WurmQualifikation: Sie schleppte sich durch den Wettbewerb, denn sie völlig enttäuscht als 32. beendete. Auch bei den Damen triumphierten am Ende die Russen, die damit zur stärksten Bouldernation bei dieser WM aufstiegen: Yulia Abramchuk holte sich in einem hart geschraubten und technisch extrem anspruchsvollen Damenfinale mit dem Sieg ihren ersten ganz großen Titel und verwies Olga Shalagina (UKR) auf den zweiten Platz. Dritte wurde die Weltmeisterin von 2007, Anna Stöhr (A).

Im Lead lief es dann wieder besser für das DAV-Team: Mit Thomas „Shorty“ Tauporn (Schwäbisch-Gmünd) und Markus Hoppe schafften es zwei Deutsche in die Runde der besten 24. Hier hatte dann vor allem Thomas Tauporn einen guten Lauf: In der giftigen Halbfinalroute, die auch einige Top-Favoriten und regelmäßige Weltcup-Finalisten abwarf, kletterte er weit nach oben, musste am Ende aber einen einzigen Zug vor dem Finaleinzug die Segel streichen: Platz 14 für den jungen Schwaben bei seiner ersten WM ist aber nichtsdestotrotz ein mehr als achtbares Ergebnis und lässt auf die kommende Weltcupsaison hoffen – Shorty hat nun sein Finalpotential auf der internationalen Bühne definitiv bewiesen. Für Markus Hoppe war bereits im unteren Teil der Halbfinalroute Schluss: Damit blieb leider nur Platz 23 für den Dresdner. Die weiteren deutschen Starter konnten leider das Halbfinale nicht erreichen: Jan Hojer landete knapp hinter den Halbfinalisten auf dem 30. Platz, Christian Bindhammer, dem man bei seiner letzten WM noch einmal ein gutes Resultat gegönnt hätte, wurde 37., Peter Würth 51. So konnten die deutschen Herren das spannende Finale von den Zuschauerrängen verfolgen: Altmeister Patxi Usobiaga (E) legte hier als vorletzter Starter die Messlatte sehr hoch, in dem er die Finalroute durchstieg – so musste der tschechischeDas DAV TEAM

Wunderknabe Adam Ondra, der nach der Qualifikation mit drei Topbegehungen das Ranking anführte, ebenfalls toppen, um zu gewinnen. Hier zeigte Ondra aber schließlich Nerven und verschätzte sich nach einer beeindruckenden High-Speed-Begehung des Finales in weniger als drei Minuten beim abschließenden Sprung zum Topgriff, den er nur noch berühren konnte. Damit holte sich der „ewige EM-Zweite“ Usobiaga nach etlichen Versuchen endlich einmal den Weltmeistertitel vor dem jungen Ondra, der nichtsdestotrotz in einer anderen Liga zu klettern scheint: Sowohl im Fels als auch am Plastik beherrscht er das Geschehen. Dritter wurde ein weiteres ehemaliges „Wunderkind“: Trotz Magen-/ Darm-Problemen kämpfte sich David Lama (A) auf den dritten Platz vor und meldet damit ebenfalls Ansprüche auf die bevorstehende Weltcup-Saison an.

In der Damenkonkurrenz konnte sich dann eine wieder gesundete Juliane Wurm mit einer beeindruckenden und fehlerlosen Qualifikationsleistung an die Spitze des Feldes setzen: Zusammen mit 8 weiteren Damen belegte Wurm den ersten Rang und ließ nach der Qualifikation auf mehr hoffen. Im Halbfinale lief es dann ebenfalls nicht schlecht für die Wuppertalerin, allerdings fehlten ihr am Ende doch noch ein paar Körner, um in die Ränge der 8 Finalistinnen zu klettern – mit Platz 11 kann sie aber zufrieden sein

und auch für sie gilt für die bevorstehende Weltcupsaison: Der Finaleinzug ist möglich!
Im Damenfinale sorgte dann eine weitere jugendliche Akteurin für die Haupt-Aufmerksamkeit: Johanna Ernst (A), die im letzten Jahr in ihrer ersten Saison bei den Senioren bereits alles gewonnen hatte, was es zu gewinnen gibt, sicherte sich nun auch den Weltmeistertitel – damit fehlt ihr in ihrer Sammlung nur noch der World Games –Sieg, dann hat sie alle möglichen Titel komplett – und das im zweiten Wettkampfjahr bei den Damen! Hinter ihr konnte die Koreanerin Jain Kim – sonst eigentlich eher für Top-Resultate beim Bouldern bekannt – zwar auch die Finalroute durchsteigen, landete wegen des schlechteren Halbfinalergebnisses aber auf dem Silbermedaillenrang. Dritte wurde die Slowenin Maja Vidmar.

Der Speedwettbewerb lief nach dem Rückzug der Deutschen aus der 10m-Konkurrenz aufgrund der kollektiven Magen-Darm-Erkrankung komplett ohne deutsche Beteiligung ab. Hier konnte nun das beim Lead und 6883beim Bouldern unterrepräsentierte Gastgeberland so richtig auftrumpfen: Zuerst holten sich die Chinesen beide Titel an der 10m-Wand (Herren: Quixin Zhong, Damen: Cuilian He)- jeweils in neuer Weltrekord-Zeit von 4.20sec. bzw. 5.31 sec und danach auch noch an der 15-Meter Wand: Quixin Zhong konnte auch hier in neuer Weltrekord-Zeit (die Goldmedaille vor dem Russen Sergej Abdrakhmanov ersprinten. Dritter wurde Ning Zhang (CHN). Bei den Damen gab es an der 15m-Wand das gleiche komplett chinesische Podium wie an der 10m-Wand: Cuilian He holte sich auch hier den Titel vor ihrer Namenskollgein Cuifang He und Chunhua Li – kurze Nachnamen scheinen wohl in einem Zusammenhang mit Klettergeschwindigkeit zu stehen…

Peter WürthBeinahe hätte es noch einen Titel für das deutsche Team gegeben: Beim erstmals im Rahmen einer WM als Promo-Event ausgetragenen Dyno-Contest kam der DAV-Boulderer Peter Würth erwartungsgemäß weit im Wettbewerb und stand schließlich mit Nicky de Leeuw (NED) im Finale, in dem Würth knapp das Nachsehen hatte. De Leeuw stellte mit gesprungenen 2.90m einen neuen Weltrekord auf – die 3m-Marke wird nur noch eine Frage der Zeit sein. Auch der dritte Platz ging an einen Deutschen: Jan Hojer holte sich den Bronzerang nicht ganz unerwartet für die, die ihn schon einmal im Training von Griff zu Griff springen gesehen haben.

Die internationale Saison geht bereits am kommenden Wochenende mit dem ersten Lead-Weltcup weiter – damit hat das Wettkampfjahr der Seilkletterer in diesem Jahr erstmals mit der Weltmeisterschaft begonnen. Aus deutscher Sicht können sich mindestens zwei Starter berechtigte Hoffnungen auf den Finaleinzug machen: Sowohl Juliane Wurm als auch Thomas Tauporn haben in China gezeigt, dass ihnen nur noch das gewisse Quentchen Glück fehlt, um es in die Runde der letzten 8 zu schaffen. Als weitere Starter werden in Chamonix an den Start gehen: Ines Dull (Allgäu-Kempten), Luisa Neumärker (SBB), Jan Hojer (Frankfurt), Alexander Megos (Erlangen) und Robin Gray (Bad Tölz). Vielleicht liegt den DAV-Startern ja die eher für harte Routen bekannte Wand in der Alpenstadt am Fuße des Montblanc.

TEXT: Matthias Keller  Quelle: DAV – Spitzenbergsport

  • Beitragsdatum 7. Juli 2009