Der Bann ist gebrochen! Kilian Fischhuber wurde in Eindhoven Europameister [Bericht, Video, Ergebnisse]

Im niederländischen Eindhoven fand über den Monatswechsel August/September die Europameisterschaft im Bouldern statt. Nach dem Weltcupfinale im Münchner Olympiastadion ist dies das letzte Saisonhighlight für die europäische Plastik-Boulder-Elite.

Der DAV wurde bei diesem Spitzenevent durch insgesamt acht Athleten vertreten: Friederike Petri, Monika Retschy, Juliane Wurm, Jonas Baumann, Mathias Conrad, Stefan Danker, Jan Hojer und Thomas Tauporn stellten sich gemeinsam mit Bundestrainer Udo Neumann den Herausforderungen, die in der 200.000 Einwohner Stadt im Süden der Niederlande geboten wurden.

Abweichend vom normalen Boulderweltcupablauf durften in Eindhoven die Damen als erste ihre Qualifikationsrunde bestreiten. Bereits um 9 Uhr standen die ersten Starterinnen auf der Matte und mussten mit den widrigen Bedingungen an der Wand kämpfen: Die frühe Zeit brachte eine sehr hohe Luftfeuchte mit sich, die die Griffe deutlich rutschiger als gewohnt machte. Moni Retschy und Jule Wurm schafften dennoch den Sprung ins Halbfinale, lediglich Friederike Petri kam leider weniger gut mit den Boulder und den Bedingungen an der Wand zurecht und musste sich mit einer Bonuswertung, sowie dem 37. Platz geschlagen geben.

Bei den später startenden Herren war wieder der Normalzustand an der Wand gegeben, so dass die Favoriten des Tages zeigen konnten, dass an diesem Wochenende kein Weg an ihnen vorbei ging. Thomas Tauporn, der beim letzten Boulderweltcup einen sensationellen zweiten Platz belegen konnte, startete sicher in den Wettkampf und löste mit einem zweiten Platz in seiner Qualifikationsgruppe souverän das Ticket für den nächsten Wettkampftag. Gleich erging es Stefan Danker und Jan Hojer: beide konnten die Runder der besten zwanzig erreichen. Mathias Conrad und Jonas Baumann scheiterten mit den Plätzen 25 und 23, nur knapp am Weiterkommen.

Im Halbfinale am Sonntag durchlebte das deutsche Team ein Wechselbad der Gefühle. Juliane Wurm (Platz 19), Jan Hojer (Platz 20) und Thomas Tauporn (Platz 14) erwischten keinen guten Tag und konnten sich nur weit unter Wert verkaufen. Für Monika Retschy und Stefan Danker lief es im Gegensatz umso besser: Moni konnte sich mit drei von vier Bouldern im ersten Versuch sehr früh ihres Finalplatzes sicher sein, Stefan löste ebenfalls mit zwei Bouldern in fünf Versuchen das Ticket für die Finalrunde am Abend.

Der Verlauf des Herren-Finale glich von der Dramaturgie dem einer Hollywood-Produktion. Kilian Fischhuber musste seine Halbfinalführung bereits nach dem ersten Boulder abgeben, da er als einziger Finalist neben Jakob Schubert diesen nicht im ersten Versuch löste. An Boulder Nummer zwei übernahm der erst 17-jährige italienischen Überraschungsmann Michael Piccolruaz die Zwischenführung, da er als einziger Athlet die ersten beiden Finalboulder flashte und vor dem letzten Finalboulder (Boulder Nummer Drei wurde von keinem Athleten getoppt) schon wie der sichere Sieger aussah. Fischhuber flashte Boulder Nummer zwei und lag hinter Piccolruez vor dem letzten Boulder auf Zwischenrang zwei. Der Traum vom ersten Einzelgold für Fischhuber drohte erneut zu platzen. Doch dann kam am letzten Boulder alles anders. Zuerst flashte Jakob Schubert, der vor dem letzten Boulder auf Rang fünf lag, den letzten Finalboulder. Nach ihm scheiterten sowohl Stefan Danker als auch Piccolruez überraschend am vorletzten Zug des Boulders [Ks.com: Die letzten zwei Züge sahen bei Jakob wirklich nicht schwer aus.] und somit war für Schubert Boulder-Bronze in trockenen Tüchern und für Stefan und Michael in weite Ferne gerückt. Durch das überraschende Scheitern des Italieners Michael Piccolruez am letzten Boulder war Gold für Fischhuber wieder in Reichweite, sofern Kilian den letzten Boulder in weniger als drei Versuchen toppte. Gesagt, getan. Kilian behilt die Nerven, flashte den letzten Finalboulder und erfüllte sich den Traum vom EM-Gold vor dem russichen Weltmeister Dmitrii Sharafutdinov und Teamkollege Jakob Schubert, der mit Platz 3 im Boulderbewerb auch Platz 3 in der Kombination fixierte hinter Dimitri Sharaftudinov und Jorg Verhoeven.

„Der Bann ist gebrochen. Mehr als 10 Jahre habe ich auf diesen Moment hingearbeitet. Heute hat einfach alles gepasst. Die Tagesform stimmte, die Boulder kamen mir entgegen und ich hatte auch endlich das nötige Glück auf meiner Seite. Ein Traum ist wahr geworden!“ strahlte Fischhuber.

Nicht weniger spannend als das Herrenfinale verlief das Damenfinale, das sich nach Boulder Nummer zwei zu einem Privatduell zwischen World Games Siegerin Mina Markovic und Weltcup-Gesamtsiegerin Anna Stöhr entwickelte.

 

Anna und Mina waren nach drei von vier Bouldern mit 3 Tops in 6 Versuchen ex aequo in Führung, während alle anderen Finalistinnen erst maximal ein Top auf der Habenseite verbuchen konnten. Da Mina die bessere Halbfinalwertung vorweisen konnte, lag die Slowenin vor Anna in Führung. Am letzten Boulder bewies aber Anna einmal mehr ihre mentale Extraklasse. Mit einem Flash am letzten Boulder erhöhte sie den Druck auf Mina ein letztes Mal. Mina konnte den Boulder zwar toppen, aber nicht im ersten Versuch, sondern erst im Dritten. Gold ging somit nach 2010 wieder an Anna Stöhr vor Mina Markovic und Melanie Sandoz.  Wenn Moni Retschy nur zwei mal den Topgriff festhalten hätte können, wäre sie auf dem Treppchen gestanden.

Das ist die Krönung einer perfekten Saison. Gemeinsam mit Kilian Gold zu holen ist etwas ganz Besonderes. Hut ab auch vor Jakob, seine Leistung war wieder einmal außergewöhnlich!“ freute sich Stöhr über das Ende einer perfekten Bouldersaison

Ergebnisse European Boulder Championship 2013 in Eindhoven (NED)

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Damen:

1 STÖHR Anna AUT
2 MARKOVIC Mina SLO
3 SANDOZ Mélanie FRA
4 RETSCHY Monika GER
5 GALLYAMOVA Anna RUS
6 ANDREEVA Ekaterina 1989 RUS
7 COXSEY Shauna GBR
8 JOHANSEN Therese NOR
9 SHALAGINA Olga UKR
10 SAURWEIN Katharina 1987 AUT
10 LE NEVE Melissa FRA
10 AVEZOU Cecile FRA
10 SHEMULINKINA Tatiana RUS
10 FAKHRITDINOVA Dinara RUS
15 KLINGLER Petra SUI

18 LAVARDA Jenny ITA
19 WURM Juliane GER

29 BACHER Barbara AUT

33 BÄRTSCHI Natalie 1994 SUI

37 PETRI Friederike 1996 GER

44 PIOLA Anouk 1988 SUI

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Herren:

1 FISCHHUBER Kilian AUT
2 SHARAFUTDINOV Dmitrii RUS
3 SCHUBERT Jakob AUT
4 DANKER Stefan GER
5 PICCOLRUAZ Michael ITA
6 GLAIRON MONDET Guillaume FRA
7 GELMANOV Rustam RUS
8 VERHOEVEN Jorg NED
9 SOMMER Remo SUI

14 TAUPORN Thomas GER

17 BLASER Benjamin SUI
17 ENNEMOSER Lukas AUT

20 HOJER Jan GER
22 GLOWKA Jakub POL
23 BAUMANN Jonas GER
23 GULLSTEN Anthony FIN
25 CONRAD Mathias GER

31 HEMUND Kevin SUI

47 HEINIGER Kevin SUI

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kletterszene.com Saison Fazit:

  • Die IFSC Boulder Weltcups sind deutlich spannender als die Lead-Veranstaltungen – Sorry, Shorty und Jakob, aber es ist wie es ist. Evtl. könnt ihr ja mal mit euren Routensetzer darüber reden und sie  bitten, in Zukunft den ein oder anderen Dyno mit einzubauen. Aber so, nee nee…
  • Jule Wurm wird mit dem Anfeur-Preis 2014 ausgezeichnet. Denn keine Stimme war im Live-Stream lauter als ihre.
  • Die Ö- und D AV Spitzensportchefs dürfen sich mit denn erbrachten Leistungen ihrer Athleten zufrieden die runden Bäuche streicheln.
  • Wie auch in den letzten Jahren, ist es weltweit so, dass die Mitgliedschaft in einem Nationalkader (sei es als Trainer oder Athlet) mehr als Ehrenamt angesehen werden kann, und Ruhm und Ehre für alle ausreichen müssen. Da sollte man was ändern, bevor man sich für die nächste Olympiateilnahme bewirbt.
  • Peter Hierl, seines Zeichens Freund von Moni Retschy, ging diese Saison nur knapp am Herzkasperl vorbei. Er sollte sich für 2014 überlegen, ob er nicht doch lieber die Weltcups auf na Intensivstation anschauen sollte, zwecks Arzt und unvorteilhaften Herzstillstand.

http://www.youtube.com/watch?v=H23h9jW4gBE&feature=c4-overview

Text: Christoph Gabrysch, Michael Schöpf, kletterszene.com Foto: Udo Neumann

  • Beitragsdatum 3. September 2013