David Lama, Peter Ortner und Hansjörg Auer gelang die erste Winterbegehung von Schieffen Riss an der Sagwand

Im Sommer 2008 gelang David Lama zusammen mit Jorg Verhoeven an der Sagwand im Valsertal die Erstbegehung von „Desperation of the Northface“. Für David war es die erste größere alpine Unternehmung, bei welcher er seine Vorstellungen vom Klettern in diesem Terrain austesten konnte. Schon damals stach ihm eine besondere Linie ins Auge. Der legendäre Hias Rebitsch hatte sie 1947 als Erster entdeckt und geklettert. Der Schiefe Riss war mit Schwierigkeiten bis zum sechsten Grad und einer für Rebitsch typisch, spärlichen Absicherung lange eine der anspruchsvollsten Routen in der Umgebung. Die erste Wiederholung lies fast 30 Jahre auf sich warten. Mittlerweile ist der Schiefe Riss im Sommer wegen dem extremen Steinschlag zu gefährlich. Eine Winterbegehung stand noch aus.

Mehr als vier Jahre lang geisterte die Idee in Davids Kopf herum. Immer wieder kehrte er ins Valsertal zurück. Er kletterte Klassiker, wie die Fußstein Nordkante oder die Diagonale am Schrammacher und zeichnete mit neuen Routen und Skiabfahrten selbst neue Linien an den Wänden, doch es dauerte eine ganze Weile bis David dazu kam sich am Schiefen Riss zu probieren.

Am 11. März ging David Lama mit Hansjörg Auer auf Skiern zum Einstieg. Die beiden waren nicht wirklich früh dran und hatten kein Biwakmaterial dabei. Die Kletterei war weit schwieriger als erwartet und nachdem die beiden 10 Stunden ohne Pause durch anhaltend anspruchsvolles Gelände geklettert waren, mussten sie einsehen, dass der Gipfel außer Reichweite lag. Es wurde dunkel und in diesem Gelände hatten sie mit Stirnlampen keine Chance. Außerdem waren wir mental erschöpft und weder Hansjörg noch David wollten weiter vorsteigen. Es war ein super Versuch gewesen, der sie zu mehr motivierte. Wir würden zurückkommen noch bevor der Winter zu Ende war und unser Projekt mit einer anderen Strategie probieren.

Fünf Tage später war es aber dann so weit. Und da wir in diesem Terrain nichts aber auch so was von gar nichts zu suchen haben / auch gar nicht wollen, soll David euch selbst erzählen wie es war….

Nachdem Peter Ortner bei unserem ersten Versuch keine Zeit hatte, war er dieses Mal neben Hansjörg und mir mit dabei. Zu dritt würden wir uns die Schwierigkeiten besser aufteilen können.
Gegen elf Uhr starteten wir. Ich stieg die erste Seillänge vor. Ich kannte sie bereits und hatte sie als äußerst anspruchsvoll in Erinnerung. Eigentlich dachte ich, ich würde sie nicht noch einmal vorsteigen müssen, doch sie zu kennen war ein Vorteil – und auch ein Nachteil, denn ich wusste was mir bevor stand…
Ich fürchtete mich ein wenig, kletterte aber ohne größeren Zwischenfall zum Stand und stieg noch zwei weitere Seillängen vor, bevor Hansjörg das scharfe Ende des Seils übernahm.
Um schnell vorwärts zu kommen würden wir die uns schon bekannten Längen am ersten Tag vorsteigen. Peter würde am zweiten Tag die Führung übernehmen und zum Gipfel klettern. Nach mehreren Längen in kletter- und sicherungstechnisch sehr anspruchsvollem Gelände würde es gut tun nicht mehr vorsteigen zu müssen.

Vor ein paar Jahren gab es einen großen Ausbruch auf halber Wandhöhe, der den Schiefen Riss in Mitleidenschaft zog. In diesem Ausbruch biegt der Schiefe Riss nach rechts ab. Während Hansjörg noch eine Länge im Ausbruch fixierte, stampfte ich ein kleines Podest in ein Schneefeld rechts vom Stand. Es war groß genug, dass wir zu dritt sitzend Platz hatten. Ich legte ein paar Steine an den Rand, so dass dieser nicht wegbrach und fertig war unser „Schlafplatz“.
Bevor wir in der Früh beim Auto weggegangen waren, hatte das Thermometer -22?C angezeigt. Es war nicht wärmer geworden und rechts von uns ging unaufhörlich Spindrift die Wand hinunter. Wir waren froh denn wir dachten wir würden von der eisigen Dusche in der Nacht verschont bleiben. Wir kochten Wasser für unser Travellunch und froren anschließend vor uns hin. Einige Male unterbrach einer von uns die Stille mit einem ehrlichen „Was soll der Scheiß!?“, doch in solchen Momenten ist es besser man stellt sich keine Fragen mit zu viel Tiefgang. Wir zogen uns unsere Schlafsäcke über den Kopf und versuchten zu rasten. Arme und Beine waren schon längst taub und dann kam doch noch der Spindrift. Es war das kälteste Biwak das wir je erlebt hatten. Kurz bevor es dämmerte kochten wir einen halben Liter Wasser und stärkten uns mit einer Hauswurst von Hansjörgs Eltern. Dann verließen wir unser Biwak, denn an Schlaf war sowieso nicht zu denken.
Peter stieg wie geplant alles bis zum Gipfel vor. In den ersten Seillängen vom Biwak säumten riesige Schneepilze den breiten Riss. Die Kletterei war schwierig und nicht ungefährlich, aber es ging voran und die Bewegung sorgte wenigstens für etwas Wärme, die unsere Zehen und Finger dazu ermutigte sich schmerzhaft zurückzumelden. Um elf Uhr vormittags waren wir am Gipfel. Wir waren froh die guten Bedingungen in der Wand vor dem bald kommenden Föhnsturm genützt zu haben und eine Route geklettert zu sein, welche jenen in Chamonix oder gar in Patagonien an Schwierigkeit nichts nachsteht. Der Wind ließ uns die Sonne am Gipfel nicht genießen und so seilten wir so schnell es ging ab.

 

Ks.com: Wir wissen schon, warum wir den Alpinen-Routen den Rückenkehren und die Nächte im Bus (incl. Standheizung) verbringen.

Text: David Lama, kletterszene.com Foto: Hansjörg Auer

  • Beitragsdatum 8. April 2013