Alex Megos Olympia Fazit

Das war Tokio 2021 – Alex Megos und Bundestrainer Urs Stöcker lassen Revue passieren

Die lang erwartete Kletterpremiere bei Olympia ist gelaufen. Ob die Spiele, die unter strengen Corona-Regeln über die Bühne gehen mussten, für alle Beteiligten tatsächlich die Erfüllung eines Traums bedeuteten, ist fraglich. Sicher aber ist, dass es erstmals in der Geschichte des Sportkletterns Gold bei Olympia gab. Die Sieger stehen fest, bei den Frauen erfüllte die Slowenin Janja Garnbret ihre Favoritenrolle und holte sich Gold, bei den Herren gab es mit dem jungen Spanier Alberto Gines Lopez dagegen eine kleinen Überraschung, ihn hatte man zuvor nicht unbedingt auf dem Schirm gehabt. Für das Team Germany lief es in Tokio nicht wirklich optimal, weder Jan Hojer noch Alexander Megos waren im Finale dabei, Alex verpasste es mit dem 9. Platz nur ganz knapp. Kletterszene.com zog gemeinsam mit Urs Stöcker und Alex Megos Bilanz.

Ks.com: Urs, du hast vor den Olympischen Spielen gesagt, Favoriten seien andere als Alex und Jan.  Aber hast du dir nach dieser intensiven Vorbereitung nicht doch etwas anderes erwartet? Alex zumindest war ja sehr nahe dran an der Finalteilnahme.

Wir sind intern schon von einem Finalplatz ausgegangen und wollten ein wenig an einer Medaille schnuppern, weil Jan und Alex beide das Potenzial dazu haben. Dass es dann für beide nicht fürs Finale geklappt hat, war dann schon ein kleiner Schock. 

Warst du vom Herren-Podium selber überrascht?

Wenn ich ehrlich bin ja. Ich wusste, dass Alberto und auch Duffy Überraschungskandidaten sind. Die jungen Wilden haben insbesondere in der Pandemie nochmals einen guten Schritt nach vorne gemacht. Ich hätte aber mit den „alten“ erfahrenen Weltcup-Stars wie Tomoa und Ondra gerechnet. Mit Jakob hatte ich natürlich auch gerechnet. Trotzdem war ich bei Jakob erstaunt, wie er sich durch die Qualifikation – den letzten Boulder im zweiten Versuch geklettert, im dritten Versuch hätte es ihm nicht mehr fürs Finale gereicht –  und dann auch durchs Finale gezittert hat.

Es war dann aber umso eindrücklicher, wie er das Ruder jeweils im letzten Moment rumreißen konnte. Das war phänomenale Nervenstärke, die wir leider nicht zeigen konnten. Eine große Überraschung war auf jeden Fall die Silbermedaille von Nathaniel. Er hatte in den letzten Jahren vermehrt Mühe, sich im Weltcup stabil gut zu präsentieren. Trotzdem hat er sich in allen Disziplinen in beiden Runden sehr stark präsentiert. Wenn man seine Interviews danach liest, sieht man, mit welcher Konsequenz er sich auf Olympia vorbereitet hat. Das hat Vorbildcharakter.

Wie lautet dein Urteil zum Routenbau?

Ich fand den Routenbau im Speed und Lead sehr gelungen – wobei ich die schwarzen Griffe im Speed nicht verstanden habe – weil Zwischenzeiten gab es ja nicht. Der Routenbau im Bouldern war grundsätzlich gut und abwechslungsreich. Es wurden sehr viele Fähigkeiten abgefragt. Die Schwierigkeit im Bouldern wurde aber in fast keiner Runde gut getroffen. Im Herrenfinale entschieden die Versuche zur Zone 2 die Plätze 2 bis 5. Im Damenfinale war die Zonenjagd auch für mich als Zuschauer phasenweise zäh. Zudem sind auch für mich gewisse Elemente wie Handklemmrisse im Wettkampfsport fraglich. Aber das ist eine weiterführende und wahrscheinlich endlose Diskussion über Ethik im Wettkampfroutenbau – ähnlich der Ethikdiskussionen beim Felsklettern. Aber diese Diskussion sollte unbedingt mit den Beteiligten wie Routenbauer*innen, Athlet*innen und Trainer*innen geführt werden. Allgemein brauchen wir schnellstmöglich gute Qualitätskriterien im Routenbau.

Du hast davon gesprochen, mit dem Gefühl, die Arbeit wäre nicht erledigt, nach Hause geflogen zu sein… das Team wäre enttäuscht, man müsste analysieren. Hast du nun – nach fast zwei Woche – die Analyse?

Ich denke eine eingehendere und individuelle Analyse muss noch folgen. Ich denke, wir haben uns grundsätzlich gut vorbereitet, aber ein paar Details, wie die kurz aufeinander folgende Belastung und die Feuchtigkeit, unterschätzt. Auch den Erwartungsdruck haben wir ein wenig unterschätzt. Das müssen wir im nächsten Zyklus besser und langfristiger angehen.

Wie geht’s nun weiter mit Team Germany – auch hinsichtlich Paris 2024?

Da bin ich nun wahrscheinlich der falsche Ansprechpartner, da ich in ein paar Wochen zurück in die Schweiz wechsle (Anmerkung Ks.com: Stöcker wird zukünftig beim Schweizer Alpen-Club SAC als Ressortleiter Leistungssport tätig sein). Ich werde aber noch die Analyse des Zyklus begleiten. Was daraus für Schritte folgen, wird sich zeigen. Grundsätzlich bereiten wir uns nun aber auf zwei neue olympische Disziplinen vor, was die Sache nicht einfacher macht. Wir haben diesbezüglich schon die letzten Jahre versucht, ein junges Speedteam zu formen und haben auch im neuen Combined gute Kandidaten und Kandidatinnen, die es gilt, bestmöglich auf Olympia vorzubereiten. Einer meiner persönlichen Schlüsse aus Olympia ist, dass wir die Kandidatinnen und Kandidaten längerfristig und enger begleiten und unterstützen müssen.

Alexander Megos – der Deutsche belegte den 9. Platz und verpasste ganz knapp das Finale:

Alex Megos kletterszene News Red Bull

Die Zeit in Tokio habe ich teils gut, teils mit gemischten Gefühlen erlebt. Der erste Teil der Reise war unser Vorbereitungscamp, welches hauptsächlich aus Training und viel Zeit im Hotel bestand. Es war nicht so schlimm, wie ich befürchtet hatte, aber komisch war es trotzdem. Den zweiten Teil des Trips haben wir dann im olympischen Dorf verbracht, was mir – und allen anderen auch-  viel besser getaugt hat. Womit man sich, denke ich, abfinden musste, war, dass es viele Regeln und Einschränkungen gab und wenn überhaupt nur die Hälfte davon Sinn gemacht hat. Der Wettkampf selber war meiner Meinung nach ein besser organisierter Weltcup mit Presse im Anschluss, aber nicht annähernd die beeindruckende Stimmung, die man sich vorstellen kann. Beim Wettkampf lief bei mir Speed nicht optimal und Lead leider auch nicht. Da kann man jetzt viel analysieren, aber am Ende des Tages habe ich im Lead leider nicht geliefert und bin deshalb um einen Platz am Finale vorbei. Ich habe sehr viel Zeit, viele Monate in die Vorbereitung investiert und die Erfahrungen und die Atmosphäre im olympischen Dorf waren es das wert, würde ich sagen. Der Wettkampf an sich aber wäre es nicht wert gewesen aus meiner Sicht. Wie es jetzt weitergeht? Jetzt ist erst einmal Fels angesagt.

Im 2.Teil der Olympia Bilanz, sprechen wir mit dem Trainer des japanischen Teams,Benjamin Hartmann, der Schweizerin Petra Klingler, dem Bronze Gewinner Jakob Schubert und Routenschrauber Peter Zeidelhack.

https://youtu.be/9LXySxPDZx0
  • Credits Text Gudrun Regelein (Interview/Protokoll)
  • Credits Fotos DAV/Klaus Listl, Ks.com Archiv, Red Bull Content Pool
  • Beitragsdatum 18. August 2021