Chillaz [Interview und Firmenportrait]

Lang ist es her, daß Ese und ich an der Bar der Freisinger Kletterhalle saßen und überlegt haben, über was man noch so schreiben könnte, jenseits der Shortnews. Da wir beide großes Interesse an der Herstellung von Kletterkram habe und gerne auch mal mehr wissen möchten, wie was entsteht und wer hinter einigen Firmen überhaupt steckt, war das Thema recht schnell, etwa innerhalb von drei oder vier Hopfengetränken, gefunden.

Wir werden euch in den nächsten Monaten immer mal wieder Firmen und ihre Entstehungsgeschichten vorstellen. Wenn euch ganz speziell eine Firma interessiert, dann gerne in die Kommentare damit.

Das Mode- und Kletterlabel Chillaz hat sich in Form von Sandra Emmer als erstes unseren Fragen gestellt.

Wir kennen Euch (Sandra und Ulf) ja schon etwas länger und wissen, dass Ulf, was Stoffe und Materialien betrifft, unschlagbar ist. Ist das ein Spleen von ihm oder ist das Vorrausetzung für einen Firmeninhaber?

Sandra: Wenn ich bei Wikipedia nachlese was „Spleen“ bedeutet; „Ein Spleen bezeichnet umgangssprachlich meist abwertend eine leichte Verrücktheit oder fixe Idee.[1] Der Begriff wird oft im Zusammenhang mit Exzentrikern verwendet.[2]
Dann kann ich nur sagen „NEIN“, ein Spleen ist das nicht. Als ich Ulf vor 8 Jahren kennen gelernt habe, war Chillaz noch ganz klein und er hatte Chillaz noch mit seinem damaligen Partner geführt (der jetzt unser kletterwand_neuAnwalt ist). Etwas ausgebremst mit seinem vielen Ideen und der eigenen Vorstellung was „Qualität“ bedeutet, war er gar nicht mehr aufzuhalten, als wir gemeinsam die Firma übernommen haben weil sein Partner sich entschieden hatte Anwalt zu werden. War sein erster Weg, sich einen Faserhersteller zu suchen, der seine Bedingungen erfüllt und das war und ist die Firma Lenzing mit der tollen Faser Lyocell (Tencel®) bzw. Modal. Wie ein Kuchenbäcker hat er sich an die Arbeit gemacht und seine eigene Kreation entwickelt. Unglaublich toll war es, wie die Firma Lenzing mit uns zusammen gearbeitet hat – das ist keine Selbstverständlichkeit und ist bis heute so geblieben. Alleine nur die verschiedene Fasern zusammen zu mischen, war eine großer Herausforderung.
Wir haben einen sehr hohen Anteil von den Fasern Lyocell (Tencel®)“ bzw. Modal und das in einen guten Preis zu verpacken ist nicht sehr einfach. Viele Firmen mischen gerade so viel Anteil in Ihr Produkt, dass es gerade ausreicht ein Etikett dafür zu bekommen – das ist nicht unser Ziel.
Leider kommunizieren wir das nicht ausreichend. Bei uns ist ein T-Shirt nicht einfach ein T-Shirt. Wir achten auf sehr vieles. Passt der Farbstoff, passt der Druck (falsche Printtechniken sind krebserregend). Was für Fäden benutzen wir. Wie wird gewaschen. Wie wird gewoben. Wie hoch ist der Elasthan (Lycra®) Anteil (Elasthan ist nicht gleich Elasthan). Welche Knöpfe. Welche Reißverschlüsse und so weiter. Das macht Qualität aus, dafür zahlt bei uns der Kunde und nicht für Marketing. So kann ich einfach nur sagen: das ist kein Spleen sondern die Herausforderung und der Anspruch an unsere Marke Chillaz. Wir behandeln die Marke wie eine persönliche Unterschrift – da wird man auch nicht einfach alles leichtfertig unterzeichnen – oder?

(À propos: Das wäre ja mal interessant zu wissen, ob die Chefs bei Jack Wolle und TNF auch Ahnung davon haben. ;o)

Sandra: Kann ich mir nicht vorstellen. So etwas wie Ulf gibt es nicht oft, habe ich bist jetzt noch nicht kennengelernt. Was Ulf mir oft erklärt und vor allem was er Leuten erklärt, die eigentlich Ahnung haben sollten – Wahnsinn. Ich stehe oft nur daneben und bin dann total baff. Keine Ahnung woher er das immer weiß. Andere haben sogar schon mit seinen Ideen und Vorschlägen einen Preis gewonnen.

Habt Ihr das vorher irgendwie gelernt Bekleidung zu designen oder wie seid Ihr auf die Idee gekommen, Kletterklamotten herzustellen?

Sandra: Ulf hat für einige Jahre in Hong Kong gelebt und für einen sehr großen Produzenten gearbeitet. Vorher hat er noch für eine bekannte logo_roughSkibekleidung die Styles entworfen und sich so sein Grundwissen angeeignet. Er hat in Hong Kong auch für bekannte Klettermarken produziert und Ihnen Vorschläge gemacht, leider wurden die nicht angenommen und so hat er sich dann entschieden, eine eigene Marke zu gründen damit er seine Ideen umsetzten kann.
All sein Wissen hat er dann mir vermittelt und gemeinsam haben wir dann begonnen die erste Damen-Kollektion zu kreieren. Toll war dann das Erlebnis, als die Firma komplett zu Ulf überging und wir gemeinsam unsere erste komplette Chillaz-Kollektion auf die Beine gestellt haben. Ich (Sandra) selbst ging für einige Zeit in München (als junges Mädel) in eine private Zeichen- und Malschule und mein Traum wäre gewesen, für Walt Disney zu zeichnen (wie gesagt ein „Traum“;-)) In meiner aktiven Kletterzeit (Wettkampf und Felsklettern) habe ich natürlich meine Leidenschaft gegenüber diesem Wahnsinns-Sport mitgebracht. Außerdem hatte ich selbst einen ganz kleinen Shop mit Ausrüstung fürs Klettern.

Der Anfang ist aber nicht so einfach, wie viele glauben, oder? Ihr braucht Muster für die Messen, dann Geld für die ersten Bestellungen und ein kleines Lager. Ist da viel Geld im Spiel?


Sandra: Ja, da ist viel Geld im Spiel. Uns kostet eine Musterkollektion das Doppelte als dann in der bild6Produktion. Einige Muster müssen wir mehr machen, da wir nie wissen ob wir neue Vertreter bzw. Distributoren dazu bekommen. Das ist unser Risiko. Die Vororder finanzieren wir komplett, da stecken so einige Häuser drin! Glücklicherweise haben wir eine tolle Bank, die unglaublich gut hinter uns steht und unser Wachstum unterstützt.
Ein Lager muss natürlich auch eingeplant werden, man weiß nie was davon abgenommen wird.
Es ist nicht nur der Anfang schwer, sondern das Weiterkommen und das Bestehen gegen sehr große Weltkonzerne – denen wir täglich die Stirn bieten!

Produzenten musstest Ihr bestimmt auch noch suchen, war das schwer? Die gibt’s ja auch nicht an jeder Straßenecke.

Sandra: (Für den Vertrieb bin ich glücklicherweise nicht zuständig, dass macht alles Ulf und das kann er richtig gut. Er kann sehr gut mit Menschen umgehen und ist immer ehrlich zu Ihnen – so a typischer Tiroler ;-))
ulfDie wachsen natürlich nicht an jeder Straßenecke ;-) Ulf hat den Vorteil, drei Jahre lang in Hong Kong gelebt und für einen große Produzenten gearbeitet zu haben. Das war und ist unsere Basis. Wer die Produktion nicht beherrscht, kann gleich wieder einpacken, das funktioniert nicht.
Ich (Sandra) persönlich behaupte, das schwierigste ist die Produktion. Je größer man wird, umso schwerer wird es, da brauchst du richtig gute Leute, da kann enorm viel Geld und Image verloren gehen wenn das nicht optimal funktioniert – keine Chance.
Die Textilbranche ist nicht einfach, man muss hier sehr wachsam sein und vor allem, nicht alles glauben. Wir sind seit Beginn an in der Türkei mit unserer Produktion.
Auf die vielen Jahre hat sich ein wirklich tolles Team entwickelt und wir sind sehr stolz darauf, denn es ist nicht die Normalsituation über viele Jahre mit denselben Leuten zusammen zu arbeiten. Die Mentalität anderer Länder zu begreifen ist nicht immer ganz einfach und die eigenen Ideen einer Produktion in Punkto – Genauigkeit – Reinlichkeit und Effektivität umzusetzen das ist oft eine Herausforderung. Wir sind im Jahr ca. 6 mal in der Produktion. Unsere Mitarbeiter in der Türkei leben Chillaz wie wir – sie sind stolz wenn unmögliche Dinge umgesetzt werden können und am Boden zerstört wenn Reklamationen kommen – sozusagen eine persönliche Niederlage!
Noch eines möchte ich dazu sagen. Alles begonnen hat nicht in Landshut sondern in Tirol. Chillaz ist eine Tiroler Marke, gegründet von Ulf Kattnig und Florian Proxauf. Ich bin einfach nur dazu gestoßen und bin glücklicherweise an der Entstehung von Chillaz beteiligt

Wie entsteht eigentlich ein T-Shirt oder eine Hose? Sitzt ihr da und denkt, wir hätten gern ein rotes Shirt mit ’nem Chillaz-Schriftzug und schickt dann eine Mail an den Produzenten?

Sandra:Ne, leider ist das nicht so einfach, man könnte es sich so einfach machen aber dann braucht man sich nicht über ein schlechtes Endergebnis wundern ;-)
Bei uns läuft das so: Ulf und ich setzen uns erst einmal zusammen uns beschließen die neuen bild13Farben. Klar, dass wir vorher auf diverse Messen gehen und uns mit unseren Faserherstellern oder Stoffherstellern treffen und gucken, was es so gibt und wie der Trend liegt.
Wir hören auch auf das, was Endkunden äußern bzw. was unserer Händler sagen und gerne haben möchten.
Natürlich müssen wir auch auf unsere Zahlen schauen, welche Modelle gut angenommen bzw. verkauft wurden und welche nicht. Dann gehen wir aber über auf unser Bauchgefühl und was uns gefällt. So erstellen wir erst einmal eine Gesamtübersicht und von da aus wird dann ins Design übergegangen.
Für neue Schnitte ist Ulf zuständig, das kann er richtig gut. Auch hier weiß ich nicht warum er das so gut kann. Es ist auf jeden Fall so, dass er anderen Schnittmeistern zeigt, wo Stoff zugenommen oder abgenommen werden muss und so weiter – erstaunlich.

Wie viele Mitarbeiter habt ihr jetzt nach x-Jahren Firmengeschichte?

Sandra: Wir kommen ja auf dieser Messe ins 10. Jahr und unser Team im Office in Tirol ist langsam gewachsen. Man muss schon viele Teile verkaufen um sich nur eine Arbeitskraft leisten zu können – ist nicht einfach. Im Hauptoffice sind jetzt mit Ulf und mir 6 Leute fest angestellt. Dann kommt aber unsere eigene kleine Produktion (hat auch nicht jeder) mit einem fixen Team von ca. 10 Leuten in der Türkei (zur Produktion ist das deutlich mehr).

Wie ist Ulf eigentlich auf die Idee gekommen Schaumstoffröhren in ein Crashpad zu verbauen?

Sandra: Das war im Prinzip ganz einfach! Er hat an einem neuen Dämpfungssystem für Crashpads gearbeitet und so nebenher ein Formel1-Rennen im Fernsehen gesehen. Die haben gerade das Prinzip der Autoreifenstapel am Streckenrand erklärt und wie effektiv diese einen Aufprall dämpfen – tja – fertig! Er ist in den Keller gegangen – hat von ein paar Wasserröhren die Isolierung abgemacht (unter lautem Protest von mir natürlich) und hat so das erste Dämpfungssystem mit Röhren gebaut – easy! Das war der Anfang! Unser Wohnzimmer war zwar nachher zerstört – so gegen 3 Uhr in der Früh aber der erste Prototype fertig!


Ist dieses System aufwändig in der Herstellung und warum machen das die anderen Firmen nicht?

Sandra: Das ist einfach – die meisten Crashpad-Hersteller sind nur für die Hülle zuständig – die Füllung wird meistens vom Importeur im Nachhinein gemacht – also vom lokalen Markt. Dieses System ist somit einfach zu aufwändig – aber wir denken die Entwicklung geht weiter – daher bieten wir jetzt mit luftgefüllte Matten an – hier kann man den Aufprall mittels Ventil also die Dämpfungseigenschaft einstellen – wir denken da geht die Zukunft hin!!

Wie sieht denn so ein Arbeitstag im Leben des Ulfs und Sandra aus, und wie viel Multitasking ist nötig?

Sandra: Ohne Multitasking geht da gar nichts. Wobei hier die Aussage, dass Frauen mehr Multitasking fähig sind auf jeden Fall zutrifft ;-) Gerade zu Beginn von Chillaz waren die Aufgaben unglaublich vielfältigund gingen vom logo_roughToilettenputzerIn bis zum PräsidentIn von Chillaz ;-) Mit Zuwachs unseres Personals, sind so einige Aufgaben weggefallen aber immer noch genügend, das Multitasking gefordert ist. An dieser Stelle einen megagroßen Dank an unser Team im Office. Die sind einfach super (Sabrina, Johanna, Georg und Christian) – besser geht es gar nicht. Wir haben eine super Stimmung im Haus und sie stehen so hinter uns. Ohne dieses Team wäre kein Wachstum möglich – Danke an Euch – Bussi

Beispiel Tagesablauf von Ulf und Sandra

Ulf: Eine ganz normal 6:00 Tagwoche von mir – erst mal ein Cappuccino – ohne geht gar nix! – dann ab in die Firma – dann ist erst mal die Produktion dran – mit Skype wird der heutige Tag in der Produktion besprochen – Probleme gelöst und die Produktion des heutigen Tages besprochen. Dann erst mal E-mails beantwortet usw. Dann eine Besprechung mit unserem internen Team und die Schwerpunkte des Tages besprochen. Tja – dann ist meistens schon Mittags – dann Essen wir alle gemeinsam in der Firma.
Bei Sandra schaut’s da etwa anders aus – hier ist meistens die Buchhaltung in der Früh am Start – dann geht’s weiter zum Marketing (Sponsoring, Internetseite, Social Media, Workbooks, Anzeigen, Messeplanung usw. – neverending Story) hier werden die heutigen Strategien festgelegt und bearbeitet. Am Nachmittag gibt es meistens einen Schwerpunkt.
Dann arbeite ich mit Sandra im Team oder Vertrieb – wir bilden meistens kleine Teams intern. Tja, und ein paar Dinge, die gaaaanz wichtig sind, hüpfen dann auch noch quer rein und ehe man sich versieht ist es bereits wieder dunkel draußen und der Magen knurrt – dann weiß ich, es ist Zeit zum heimfahren. Meistens noch eine kleine Skypesession mit der Produktion – was war – was hat nicht funktioniert – wer hat was gemacht – bzw. nicht gemacht – dann meldet sich meistens Sandra – dass es bereits wieder nach 20:00 ist und ich doch langsam Heim kommen sollte. Tja so geht es Montag bis Freitag und am Samstag dann kommt die Spaßarbeit – da wird dann in Ruhe entwickelt und gezeichnet usw…

Gibt es andere Marken an denen ihr euch im Design orientiert, beeinflussen euch Freunde oder zieht ihr euer Ding durch?

Sandra & Ulf: Es ist wichtig, sich auf SICH zu konzentrieren und sich nicht nach seinen Mitbewerbern zu omiorientieren. Es wäre gelogen, wenn ich sag‘, wir gucken nicht nach, was andere so machen. Ist ja OK so und mit so manchen Marken verstehen wir uns sogar hervorragend. Wir haben kein Problem auf der Messe auf ein Bierchen zusammen zu sitzen und zu plaudern
Gerne hören wir uns an, was andere gerne so hätten. Unsere größte (wissende) Fangemeinde ist die Familie von Ulf. Vor allem seine Omi (86 Jahre), das ist unser größter Fan. Sie gehört zum Hausinventar und sie ist komplett mit Chillaz ausgestattet. Wir haben auch einen 70 jährigen Golfer, der sehr gerne unsere karierte Hose und ein passendes Poloshirt anzieht.
Das kann aber nur sein, weil wir auf Freunde und Familienmitglieder hören und nicht einfach nur unser Ding durchziehen, wir hören uns Kritik an, denken darüber nach und bei unserer Planung berücksichtigen wir so einiges.

Was mögt ihr gar nicht:

Sandra & Ulf: Marketing das nicht ehrlich ist!

Was ist wichtig für Ulf und Dich:

Sandra & Ulf: Ehrlichkeit – Vertrauen – Gefühl – Gerechtigkeit – Loyalität – Zuhören können – Menschlichkeit (klaro Friede und Gesundheit)

Wir hätten jetzt mehr Fragen als wir vorher je gedacht haben, möchten aber Eure Zeit nicht noch weiter strapazieren. Vielen Dank für den Cafe und Kuchen sowie euren ehrlich Antworten. Wir sehen uns spätestens wieder auf der Outdoor!

Climb now, work later… und die neue Kollektion von Chillaz findet ihr hier

Text: Sandra und Ulf Chillaz, kletterszene.com Fotos: Chillaz

  • Beitragsdatum 23. März 2011