Die Kletter-Premiere bei Olympischen Spielen: Japans Trainer Benjamin Hartmann, Jakob Schubert, Petra Klingler und Peter Zeidelhack ziehen Bilanz
Game over – die Kletterpremiere bei Olympia ist gelaufen. Kletterszene.com zog Bilanz: Teil 2 mit Benjamin Hartmann, Trainer des japanischen Teams, Petra Klingler, Jakob Schubert und dem Routenschrauber Peter Zeidelhack.
Benjamin Hartmann, Trainer des Teams Japan:
Der Wettkampf war auf jeden Fall eine interessante Herausforderung. Dass die Bedingungen durch Hitze und Luftfeuchtigkeit in Tokio sehr speziell sein würden, war uns allen bekannt. Mental muss man die Konzentration dabei über den Wettkampf und die drei Disziplinen mit ihren unterschiedlichen Anforderungen halten können. Diese zusätzlichen Faktoren plus der spezielle Druck, der von solchen Großereignissen ausgeht, stellten eine große mentale Aufgabe dar. Ich denke, dass sich der Wettkampf bei den meisten Athleten im Kopf entschieden hat.
Im Lead war ich vom Routenbau sehr positiv überrascht. Die Touren waren von unten weg sehr anspruchsvoll und man musste beherzt und selbstbewusst klettern, wenn man da was reißen wollte. Im Bouldern ging es, vor allem in den Finals, leider nicht so gut auf. Dass das Combined-Format für Überraschungen sorgen kann, war klar, da einzelne Fehler eines Athleten auch immer Auswirkungen auf das Gesamtranking haben. Das Jahr Verschiebung war für die jüngeren Athleten – wie Alberto Ginés López, Brooke Raboutou, und Colin Duffy – viel Wert.
Die Frage war: wie viel. Schaffen es die jungen Starken, mit der Situation unbedarft und zu ihrem Nutzen umzugehen – oder sind es eher die etwas erfahreneren, älteren Wettkämpfer, die es bei diesem speziellen Wettkampf schaffen, ihre Leistung abzurufen. Überrascht war ich, dass es die Kletter- und Boulderspezialisten innerhalb so kurzer Zeit geschafft haben, im Speed auf beachtlich schnelle Zeiten zu kommen. Auch einige Leistungen im Lead, beispielsweise von Nathaniel Coleman hatte ich so nicht erwartet. Für Tomoa war es sehr knapp und hat am Ende leider nicht für eine Medaille gereicht. Das Combined-Format bietet viele Möglichkeiten für hätte, wäre, wenn Analysen, aber am Ende des Tages waren die Frauen und Männer auf dem Podium an dem Tag die verdienten Sieger, die es geschafft haben, die spezielle Herausforderung des Olympiawettkampfes am besten zu meistern. Mit Silber für Miho und Bronze für Akiyo haben wir da einen super Abschluss für Team Japan erreicht. Es freut mich speziell für Akiyo, dass sie es geschafft hat in ihrem letzten Wettkampf auf das Podium zu klettern und so ihre beeindruckende Karriere zu beenden.
Petra Klingler – Olympia-Teilnehmerin aus der Schweiz (Platz 16):
Die Olympischen Spiele unter Corona-Bedingungen waren sicherlich nicht, was es hätte sein können. Ich glaube, normale Olympische Spiele sind sicher Wahnsinn, vollgepackt mit Leuten, Emotionen – aber trotzdem bin ich extrem dankbar, dass ich das miterleben durfte und die Spiele stattfinden konnten. Grundsätzlich war ich positiv überrascht von den Freiheiten, die wir hatten – wie gut das alles organisiert war – ohne Probleme konnten wir alles machen… die Freiheiten im olympischen Dorf waren mehr, als gedacht. Und auch ohne Zuschauer und das große Drumherum waren es unglaubliche Spiele, ein unglaubliches Erlebnis für mich, dabei gewesen zu sein.
Peter Zeidelhack – der kommerzielle Routenbauer mit langjähriger Erfahrung:
Herausragend war aus meiner Sicht der Routenbau und davon vor allem das Herrenfinale. So etwas habe ich noch nicht gesehen! Eine perfekte Show, abwechslungsreich, keine zwei Kletterer am gleichen Griff abgefallen – glaube ich zumindest – und der letzte Starter, Jakob Schubert, noch mit dem Top.
Bei den Frauen war die Route auf jeden Fall von der Optik top und die Differenzierung auch sehr gut, ein paar Mal sahen die Züge aber schon recht weit aus. Beim Bouldern hat man grundsätzlich – beziehungsweise in Summe – natürlich deutlich weniger Züge um die Starterinnen und Starter entsprechend zu fordern. Im Finale hätte ich mir jedoch mehr Tops gewünscht und der jeweils dritte Boulder war vielleicht etwas zu schwer, da leidet dann der Spannungsbogen. Persönlich hat mir das im Großen und Ganzen sehr viel Spaß gemacht und ich fand, dass es eine super Werbung für den Sport war. Als TV-Zuschauer hätte ich mir eine bessere Regie – und das vor allem bei der Boulder-Quali – gewünscht und insgesamt hatte das Live-Scoring noch Luft nach oben – zumindest in der deutschen TV-Berichterstattung. Bezüglich des Ergebnisses hatte ich bis auf Janja eigentlich keine Erwartungen, Brooke Raboutou hätte ich mir auf den zweiten Platz gewünscht, zumindest auf dem Treppchen. Bei den Herren hat Adam seinen „Vorsprung“ vom Speed nicht nutzen können, das hat mich schon überrascht. Da hätte er am zweiten Boulder mehr zeigen müssen. Schade fand ich es aber vor allem, dass es kein deutscher Starter ins Finale geschafft hat, der Alex hatte schon gute Chancen….
Jakob Schubert, österreichischer Bronze-Medaillen-Gewinner:
Ich habe mir das Ziel, eine Medaille zu holen, früh gesetzt – und die letzten Jahre beinhart und akribisch dafür gearbeitet. Mit diesem Ziel bin nach Tokio gereist und in die Qualifikation gegangen, habe im Speed-Bewerb zweimal eine persönliche Bestleistung abgerufen und im Vorstieg gewonnen.Im Finale waren mit dem Japaner Tomoa Narasaki und Adam Ondra aus Tschechien alle großen Favoriten im Kampf um das Podest mit dabei. Ich wollte zeigen, dass ich zu den Besten dieses Sports gehöre. Nach einem unfassbar anstrengenden Tag habe ich dieses hochgesteckte Ziel wirklich erreicht. Die Platzierungen im Speed waren unerwartet verteilt: Bassa Mawem, der französicher Speed-Kletterer, war verletzungsbedingt leider nicht am Start, Tomoa hat nicht Platz 1 geholt. Im Bouldern war ich mit der Leistung zufrieden, aber das Ergebnis hat das nicht wirklich reflektiert. Ich hatte die Hoffnung auf eine Medaille fast schon aufgegeben. Beim Vorstieg war die Enttäuschung bereits so groß, dass ich den ganzen Frust auf die Wand gebracht habe. Ich musste alles herausholen, das war mir bewusst – habe aber geglaubt, dass es selbst mit Platz 1 nicht reichen würde. Nach dem Top wusste ich zunächst gar nicht, dass ich die Medaille hatte. Erst als Nationalcoach Reini Scherer mir gedeutet hat, dass ich Dritter bin, konnte ich es glauben. Was für ein Moment, den werde ich so schnell nicht vergessen. Diese Bronzemedaille hat einen unglaublichen Stellenwert, aber ich muss es erst verarbeiten.