Babsi Zangerl und Lara Neumeier klettern Muir Blast/El Corazon Link-Up

Am Mittwoch, den 15. November, erreichten um 3 Uhr morgens Barbara Zangerl und Lara Neumeier den Gipfel des El Capitan im Yosemite. Die beiden verbrachten sechs Tage in der Wand, um die 35 Seillängen der Kombination von Muir Blast und El Corazon (5.13b) frei zu klettern.

Da Lara Neumeier zum ersten Mal am Gipfel des El Capitan stehen wollte und deshalb Einklettern keine schlechte Idee war, entschieden sich Babsi und Lara El, Corazon über die Muir Blast als Training zu klettern und schon einmal einen Wasservorrat für den entscheidenden Go anzulegen. Lara hatte sich für ihr erstes Mal am El Capitan unglaublich gut geschlagen, sodass die beiden das gute Wetterfenster nutzten und ihre Mission starteten, Muir-El Corazon im Vorstieg frei zu klettern.

Der Start war holprig aber auch erfolgreich: Babsi verletzte sich am Finger, der Haulbag mit dem Portaledge blieb stecken und Lara verlor einen Kletterschuh und einen Jumar. Zudem flog Babsi aus einer der ersten +/-7b Seillängen und musste zurück auf Los. Am Ende konnten aber beide im ersten Anlauf die erste 8a Seillänge frei klettern und sie erreichten nach elf gekletterten Seillängen ziemlich müde die große Terrasse mit ihren Vorräten, wo sie übernachten wollten.

Am nächsten Tag stand eine weitere 8a Seillänge auf dem Programm. Babsi kannte sie schon von ihrer Magic Mushroom Begehung, schliff die Züge zur Sicherheit aber noch einmal ein und holte sie sich wie Lara im zweiten Go. Insgesamt klettern die beiden an diesem Tag sechs Seillängen. Nach getaner Arbeit seilten sie sich zu ihrem Camp ab, um am nächsten Tag wieder alles hoch zu jumarn.

Am besten ist es wohl, wenn Babsi weitererzählt….

Tag 3: THE HAULING NIGHTMARE

Der dritte Tag war ein laaaanger Tag: Um 3 Uhr morgens fingen wir an, alles zur Beak Flake hoch zu schleppen – ich im Vorstieg und Lara ohne Probleme im Nachstieg.

Jetzt hatten wir die lange, beängstigende Traverse the hauling nightmare vor uns, eine 50 m lange Traverse auf ziemlich losem Fels. Das Klettern ist keine große Sache, aber das Nachziehen unseres Haulbags war verrückt: Der Sack blieb an einer kleinen Schuppe hängen und ich konnte ihn nicht mehr hochziehen. Egal in welche Richtung wir zogen, der Haulbag bewegte sich kein bisschen.

Kurz darauf stellten wir aber fest, dass sich die ganze Schuppe circa 20 cm von der Wand entfernt hatte und kurz vorm ausbrechen war. Das war definitiv der gruseligste Moment der ganzen Kletterei: Wenn so ein großer Felsbrocken am El Cap herunterfällt, bedeutet das ein großes Risiko für alle anderen Kletterer unter uns und auch für die Touristen unten.

Wir musste schnell eine Lösung finden und befestigten den Haulbag. Lara kletterte hoch, zog ihn aus der Schuppe und versuchte dann, den losen Felsbrocken zu fixieren. Der Schuppe war aber zu schwer, um sie anzuheben und so entschieden wir uns, sie in ihre ursprüngliche Position zurück zuschieben. Das schien für uns die sicherste Variante für alle.

Am Ende von Tag 3 schafften wir es bis zu Bobby’s Bunny Slope, kamen aber nicht durch die letzte 5.12d Seillänge. Wir waren einfach zu müde, um sie in der prallen Sonne frei zu klettern. Zudem brauchten wir auch genug Zeit, um unser Portaledge an diesem hängenden Standplatz aufzubauen. An diesem Tag ging es mehr ums Schleppen als ums Klettern.

Tag 4: die Crux

Zurück zur 7c Kletterei: Nach dem Aufwärmen stieg ich vor und hatte bei der Crux eine andere Lösung als Lara. Ich traversierte an kleinen Leisten um in den Riss zu kommen, Lara zog den Dyno vor. Das machte es für Lara im Nachstieg etwas schwieriger, denn sie musste hochklettern, um meine Ausrüstung abzubauen und wieder runter, um ihren Dyno klettern zu können.

Lara stieg die nächste 7c+ technische Slab im Onsight durch, was sehr beeindruckend war. Dann kamen wir endlich beim riesigen Dom an und waren gespannt, was uns dort erwarten würde. Wir konnten sehen, dass die Risse viel breiter wurden als wir es gewohnt waren und wussten auch, dass dies wahrscheinlich der schwerste Abschnitt für uns werden würde.

Anfangs kamen noch ein paar leichtere Seillängen, bevor wir die eigentliche Crux in Angriff nahmen. Lara baute ihrem ersten Camelot-Standplatz, der sicherer war als alles, was ich je gesehen habe. Daran hätten wir einen Lastwagen hochziehen können!

Dann wartete der riesige Kamin auf uns, und ich war an der Reihe mit dem Vorstieg. Ich muss zugeben, dass ich mich in breiten Rissen immer noch wie eine Anfängerin fühle: Es ist so einschüchternd und immer so extrem anstrengend, sich einen Offwidth oder Kamin hochzukämpfen.

Ich hatte meinen Helm nicht abgenommen – das Dümmste, was ich in dieser Seillänge tun konnte. Denn bald steckte ich mit meinem Helm fest. Also musste ich versuchen ihn mit der freien Hand und weit über der letzten Sicherung, irgendwie abzubekommen.

Es hat geklappt! Ich ließ meinen Helm zu Lara ab und hatte einen höllischen Kampf, um den Weg zum Standplatz zu finden.

Ich wusste, dass ich nicht die Kraft für einen zweiten Versuch hatte.

Angekommen am Stand nach meinem ersten Versuche: einer meiner stolzesten Augenblicke überhaupt!

Ich war so erschöpft, dass ich mich am Standplatz übergeben musste. Jetzt war Lara an der Reihe. Ich war beeindruckt, wie schnell sie in dem breiten Teil war. Ich hörte kaum etwas von ihr, während sie sich dieses Biest hochkämpfte. Aber kurz vor dem Standplatz fiel sie ab. Ich dachte nicht, dass sie das Ding nach einem so herzzerreißend langen Kampf jemals wieder versuchen würde. Aber alles, was sie sagte, war:

Bitte lass mich runter, ich werde es wieder versuchen!!!

Das hat mich wirklich überrascht. Lara schaffte es beim zweiten Versuch und wir waren wieder im Spiel! Die nächste nicht ganz so schwere Seillänge stieg ich dann auch noch vor. Danach habe ich Lara gefragt, ob sie weiter vorsteigen will. Ich hatte nicht damit gerechnet, dass sie so motiviert sein würde, nachdem wir beide unsere Batterien in der Verschneidung geleert hatten.

Ist das schwer?

fragte sie mich

Nun, es ist ein Kamin mit der Schwierigkeit 6a+/b. Das sollte ok sein!

sagte ich

Aber ganz ehrlich, ich hatte keine Ahnung, dass 6a+/b bei einem Kamin nichts bedeutet.
Sie stieg vor und kämpfte sich diesen laaaangen, breiten, quetschenden Alptraum hoch. Ich stieg nach und schwöre, eine 8a-Sportkletterei ist leichter zu klettern als dieses Ding.

Es war mittlerweile 1 Uhr Nachts und wir hatten einen weiteren Kampf, um die Portaledge an einem sehr unbequemen Standplatz anzubringen. Aber wisst ihr was? Wir befanden uns direkt unterhalb der letzten schwierigen Seillänge, sodass es sich gelohnt hat, diesen Platz für unser neues Zuhause in der Wand zu wählen. Um 2 Uhr morgens waren wir bereit, das Abendessen zu kochen.

Tag 5

Nach 3 Stunden Schlaf wachten wir auf und fühlten uns, als wären wir von einem Lastwagen überrollt worden. Keine Chance, nach vier Tagen ununterbrochenem Klettern oder Haulen ohne Pause weiterzukommen. Wir schauten uns kurz die Coffee Corner an. Aber wir waren zu fertig. Laras ganzer Körper sah aus, als hätte sie einen Autounfall gehabt.

Also haben wir Feierabend gemacht und uns einen Tag frei genommen. Wir schliefen beide ein.
Wir wachten auf, weil wir Geräusche von unten hörten. Ein anderes Team kam näher und das offensichtlich ziemlich schnell. Es waren Sam Stroh und sein Freund Will. Sams Ziel war es, El Corazon an einem Tag zu befreien, nachdem er drei Wochen lang daran gearbeitet hatte. Es war beeindruckend zu sehen, wie Sam es schaffte. Für uns fühlte sich das wie ein echtes Kino-Ruhetagsprogramm an.

Last day before the big Storm.

Wir hatten noch zehn Seillängen vor uns, um den Gipfel des El Capitan zu erreichen.
Eine 8a, drei 7c+’s und noch ein paar knifflige 7b’s. Da wir von den vorangegangenen Klettertagen immer noch erschöpft waren, war es für uns schwer vorstellbar, das an einem einzigen Tag zu schaffen.

Jedenfalls waren wir sehr motiviert und wollten alles geben, denn wir wussten, dass es unser letzter Tag in der Wand sein würde. Wir wärmten uns an der Coffee Corner auf und brauchte etwas Zeit, um die richtige Beta herauszufinden.

Ich stieg als erste vor und hatte das Glück, dass mein Beta funktionierte und ich die Seillänge sturzfrei klettern konnte. Jetzt war Lara an der Reihe und war vor ihrem Go ein wenig nervös. Es war das erste Mal, dass ich ihren Kampfschrei hörte. Sie hatte es geschafft: ein Punkt weniger auf unserer Bucketlist.

Nun stand dem großen Dach: Ich schaute mir die Seillänge zuerst an und war mir sicher, das wir beide sie schnell klettern würden. Ich versuchte, Lara zu einem Flash zu überreden. Eine halbe Stunde später tat sie das, was ich ihr immer zugetraut hatte: Sie flashte das Dach! Was für ein Moment. Gleich danach konnte auch ich die Seillänge klettern und wir sind beide zum Standplatz zurückgekehrt, um uns auszuruhen.

Die Sonne kam heraus und es wurde warm. Wir waren uns einig zu warten bis die Sonne untergeht, um die richtigen Bedingungen für die nächsten schwierigen Seillängen zu haben. Die Pause wurde mit dem Zusammenpacken unserer Sachen gefüllt. Wir seilten uns zu unseren Portaledges ab, packten unsere Sachen und holten alles hoch zur nächsten 7c+ Seillänge, Golden Desert.

Ich war so motiviert, dass ich alles auf meinen ersten Go setzte, was sich gelohnt hat. Auch Lara konnte die Seillänge sofort klettern und es kam der Sendingtrain in fahrt. Lara stieg die A5-Traverse vor – eine weitere sportliche 7c+/8a-Seillänge, die letzte in diesem Schwierigkeitsgrad. Kurz vor dem nächsten Standplatz stürzte sie und kehrte zum unteren Standplatz zurück. Dank Laras Beta konnte ich diese Seillänge flashen. Ich seilte mich zu Lara ab und sie machte einen weiteren, jetzt erfolgreichen Go. Plötzlich sah es so aus, als hätten wir eine echte Chance, an diesem Tag den Gipfel zu erreichen.

Wir trafen zwei nette Jungs (Tim und Nico), die die Route Golden Gate kletterten, die sich einige Seillängen mit El Corazon teilt. Obwohl es auch sie eilig hatten, ließen sie uns vor.

Nach den letzten schweren Seillängen wurde es einfacher. Da sich aber unsere Batterien der Stirnlampen schon dem Ende neigten, erschwerte uns die Dunkelheit die Suche nach dem Weg zum nächsten Standplatz. Ehrlich gesagt hat es ewig gedauert, bis wir oben ankamen. Jeder Schritt tat weh. Wir hatten vom Schleppen beide blaue Flecken auf dem Rücken. Wir mussten die Rechnung dafür bezahlen, was wir unseren Körpern in den letzten Tagen zugemutet hatten.

Um 3 Uhr nachts erreichten wir völlig zerstört den Gipfel des El Capitan. Wir fühlten uns wackelig und fertig, aber gleichzeitig waren wir über glücklich, dass wir unser Ziel erreicht hatten und dafür auch wirklich leiden mussten. Es war ein weiteres großartiges Abenteuer, das uns für immer in Erinnerung bleiben wird – El Cap wird einfach nie alt. Es war Laras erste freie Begehung am El Cap und meine sechste freie Route dort.

Jetzt, einen Tag später, können wir immer noch nichts anfassen, weil unsere Finger und Zehen so weh tun. Aber wir sind froh, in einem normalen Bett zu schlafen, zu duschen und auf eine normale Toilette gehen zu können.


  • Credits Text Babsi Zangerl, kletterszene.com
  • Credits Fotos Barbara Zangerl und Lara Neumeier
  • Beitragsdatum 18. November 2023