Deutsche Meisterschaft klettern_bouldern

Alma Bestvater und Jan Hojer gewinnen die Deutsche Meisterschaft im Olympic Combined

Bereits die Meldeliste lies darauf schließen, dass bei dieser DMOC die Jugendlichen angreifen. Unter den 18 Damen waren nur vier älter als 20 Jahre. Unter den Ü20: Alma Bestvater und Afra Hönig. Beide Frauen sind Boulder-Spezialistinnen, die international bereits große Erfolge vorweisen können. Bestvater hielt zudem bis vor kurzem den Speed-Rekord und war die erste Frau unter 9 Sekunden. Dann kam die erst 16-jährige Franziska Ritter: Mit 8,80 Sekunden überholte sie Bestvater.

Bei den Herren sah es ähnlich aus: Von den 17 Startern knackten bisher nur sechs Herren die 20iger-Marke. Mit besonderer Spannung wurde der Auftritt von Jan Hojer erwartet: Der Altmeister gehört zu den international erfolgreichsten Athleten und ist außerdem der Titelverteidiger. Ihm gegenüber standen einige junge und wenige alte Spezialisten, wie Speed-Profi Sebastian Lucke, Boulder-Meister Max Prinz und Lead-Spezialist Martin Tekles.

 

Damen-Qualifikation: Start-Ziel-Sieg für Alma Bestvater

Deutsche Meisterschaft Olympic Combined 2019 - Augsburg Am Samstag fand die Qualifikation der Damen und Herren statt. Dass die beiden schnellsten deutschen Frauen an der DMOC teilnahmen, sprach für einen spannenden Wettkampf. Und so hießen die beiden Erstplatzierten im Speed dann auch Bestvater vor Ritter. Dritte wurde Sandra Hopfensitz. Die ebenfalls noch junge Lokalmatadorin lieferte ein tolles Rennen und holte sich nach zwei Durchgängen die drittschnellste Zeit.

Doch Speed ist nur ein Teil dieses Dreikampfs, als nächstes folgte Bouldern. Da dies die Paradedisziplin von Alma Bestvater ist, holte sie sich hier ebenfalls verdient den Sieg. Vierte wurde Afra Hönig, dazwischen lagen zwei junge Teilnehmerinnen: Elisa van der Wel und Catrin Gorzellik.

Auch im Lead setzte sich Bestvater verdient an die Spitze: Sie kletterte als Einzige bis zum Top. Magdalena Schmidt kam ihr mit Zug 52+ am nächsten, auf Platz drei folgte wieder Sandra Hopfensitz. Damit stand das Feld der besten acht Damen für den Finaltag fest.

 

Herren-Qualifikation: Spannender Wettkampf

Jan Hojer hält derzeit mit 6,67 Sekunden den Speed-Rekord. Ohne Not kletterte er auch an diesem Tag die schnellste Zeit und gewann damit die Herren-Quali. Mit 6,78 Sekunden kam er seiner alten Bestmarke schon ziemlich nahe.

Im Bouldern dominierte dann dafür der amtierende Deutsche Bouldermeister, Max Prinz. Er konnte mit fünf anderen alle vier Boulder toppen. Hojer flashte als Einziger die drei ersten Boulder. Doch im vierten Problem kam er nicht über die Zone heraus. Er musste sich mit Platz 6 begnügen. Hojer rechnete daraufhin und beschloss, die Lead-Qualifikation auszulassen und seine Schulter zu schonen.

Die Rechnung ging auf: Obwohl er damit im Lead auf den letzten Platz gesetzt wurde, zog er als Dritter in die Final-Runde ein. Am Seil brillierte ein anderer: Martin Tekles, mit 28 Jahren der Älteste im Feld, kletterte als Einziger bis zum Top – und das auch noch total souverän.

Diese sechzehn Finalisten konnten sich am Ende des Tages durchsetzen:
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Alma Bestvater
Franziska Ritter
Sandra Hopfensitz
Catrin Gorzellik
Magdalena Schmidt
Christina Kautzner
Elisa van der Wel
Afra Hönig

[/two_columns_one][two_columns_one_last] Philipp Martin
Max Prinz
Jan Hojer
Martin Tekles
Jannis Deuring
Linus Bader
Sebastian Lucke
Nils Sandeck
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Der Finaltag

Neuer Rekord für Alma Bestvater

Die beiden Top-Favoritinnen waren bereits bekannt: Alma Bestvater und Franziska Ritter. Doch zunächst musste sich Ritter im Halbfinale gegen Sandra Hopfensitz durchsetzen, was ihr mit 9,47 Sekunden gelang. Im Finale trafen die deutsche Rekordhalterin und die Erstplatzierte der Quali dann aufeinander. Beide kamen nach dem Start-Go gut raus, doch Bestvater war in diesem Rennen nicht zu schlagen. Oben angekommen hatte die Thüringerin nicht nur den Sieg in der Tasche, sondern auch den Rekord der Damen weiter nach unten korrigiert: 8,640 Sekunden heißt nun der neue Deutsche Speed-Rekord.

Solch ein Auftakt bereits zu Beginn des Tages – die beiden schnellsten Damen im Finale erstmals gegeneinander und dann auch noch ein Rekord – war einfach großartig für das Publikum vor Ort und an den Bildschirmen.

 

Bouldern: Tripple Flash für Afra Hönig

Drei Boulder galt es heute zu überwinden. Als erste kam Afra Hönig aus der Isolationszone. Die Landshuterin klettert derzeit ihre beste Saison – vor allem international. Das zeigte sie dann auch gleich: Den ersten Boulder, der einen weiten Runner nach rechts enthiel, flashte die 23-Jährige. Alma Bestvater, die zweite extrem starke Boulderin, benötigte dafür drei Versuche und lag nach dem ersten Boulder auf Rang vier.

Boulder Nummer zwei führte an vulkanförmigen Fingerlöchern durch den am stärksten geneigten Wandteil: 45 Grad hängt diese Wand über. Die Crux lag in der Mitte des Boulders, wo man einen weiten Kreuzzug schaffen musste. Hier legte Hönig mit einem Flash weiter nach. Elisa van der Wel brauchte – wie auch im ersten Boulder – einen Versuch mehr und lag damit auf Platz zwei. Die Lokalmatadorin Sandra Hopfensitz schaffte auch diesen Boulder im zweiten Versuch. Am Ende kam Alma Bestvater: Sie kletterte, nachdem sie beim ersten Mal mit dem Fuß abgerutscht war, im zweiten Versuch Top.

Die Entscheidung fiel im 3. und letzten Boulder. Er war mit „dualtexture“-Volumen geschraubt. Diese sind nur auf einer Seite rau, der Rest ist ziemlich glatt. Auch hier flashte Hönig – damit sicherte sie sich uneinholbar den ersten Platz im Bouldern – und den zweiten Platz in der Gesamtwertung nach zwei von drei Wettkämpfen. Zweite im Bouldern wurde Elisa van der Wel, die diesen Boulder ebenfalls im ersten Go löste. Auf Alma Bestvater wartete Platz drei, die ebenfalls flashte – genauso wie Christina Kautzner und Catrin Gorzellik.

Kreativitäts- und Beweglichkeitspunkte gab es für Magdalena Schmidt, die mit 15 Jahren die jüngste Teilnehmerin im Feld war und in dem Volumen-Quergang mit besonders kreativen Hooks und Dynamos arbeitete. Im zweiten Versuch führte dies zum Erfolg. Nach dem Speed noch auf Rang 8 und 9 lagen Afra Hönig und Elisa van der Wel nun auf Podiumskurs. Das beweist, wie spannend so ein Combined-Wettkampf ist.

Chef-Routenschrauber Luke Brady zeigte sich am Ende nicht ganz zufrieden mit seinen Ideen:

„Die Frauen waren etwas stärker als gedacht – vor allem am letzten Boulder.“ Für die Lead-Disziplin habe man sich eine eher klassische Route ausgewählt, „für die Ausdauer-Kletterin“ – womit wir zur letzten Disziplin kommen.

Enges Duell zwischen Bestvater und Gorzellik

Ein weiteres Generationenduell gab es beim Lead: Die Schrauber hatten eine fordernde Route geschraubt, die am Ende einen weiten Rechtssprung zum Top verlangte. Diesen schaffte niemand, doch in die Nähe des Zielgriffs kamen einige Athletinnen – trotz der kräftezehrenden Wettkämpfe zuvor. Doch zum Sprung setzten nur Catrin Gorzellik und Alma Bestvater an. Am Ende entschied die Zeit: Die 19-jährige Gorzellik war etwas schneller als Bestvater – und verwies den Boulderstar damit auf Rang 2.

Im Gesamtergebnis schob sich Gorzellik dadurch auf Silber vor, Afra Hönig, die ebenfalls weit nach oben klettern konnte, wurde Dritte. Für Alma Bestvater war es ein grandioser Tag: Verdient gewann sie diese Deutsche Meisterschaft Olympic Combined – und lief einen neuen deutschen Rekord im Speed.

„Ein bisschen überraschend, dass das schlechteste Ergebnis jetzt tatsächlich vom Bouldern kam, aber ist ja alles gut gegangen“, sagte Alma Bestvater nach dem Wettkampf.

Die Jungen setzen sich durch

Gleich zu Beginn gab es eine große Überraschung: Jan Hojer startete zu früh und wurde dadurch disqualifiziert. Damit schuf er sich bereits eine schlechte Ausgangslage. Glücklicher Sieger war Max Prinz, der im Speed gegen ihn antreten musste. Auch in der zweiten Paarung gab es eine Überraschung: Kaderathlet Philipp Martin stürzte und erlaubte dem Newcomer Nils Sandeck ohne Not weiterzukommen. Martin Tekles musste gegen den 17-jährigen Speed-Star Sebastian Lucke ran – und der ließ ihn alt aussehen: mit 7,3 Sekunden lief er dem Lead-Spezialisten Tekles davon.

Das Finale hieß: Sandeck (18 Jahre) gegen den 17-jährigen Linus Bader. Letzterer setzte sich im Halbfinale überraschend gegen Sebastian Lucke durch, der Dritter wurde. Damit schafften sich die drei Youngsters eine gute Ausgangsposition gegenüber dem Allrounder Hojer, dem Lead-Profi Tekles und dem Boulder-Meister Prinz. Linus behielt im Finalrun einen kühlen Kopf und sicherte sich in einer starken Zeit den Sieg im Speed.

 

Bouldern: Erfahrung zahlt sich aus

Auch den Herren wurde in Boulder Nummer 1 ein Runner geschraubt. Hier kam Philipp Martin besser rein als im Speed: Er flashte das Problem! Auch Max Prinz und Jan Hojer zeigten ihre grandiosen Boulderfähigkeiten und schafften das Problem im ersten Go.

Schon der hohe Einstieg in Boulder zwei verlangte kreative Lösungen. Danach musste man über ein großes Hindernis mit kleinen Griffen an die Zone, die hinter einer Kante saß. Von dort ging es wieder nach links zum Top. Philipp Martin und Jan Hojer lösten auch dieses Problem im ersten Versuch – und setzten sich dadurch etwas vom amtierenden Boulder-Meister Max Prinz ab, der nur die Zone erreichte. Sebastian Lucke, Nils Sandeck und Linus Bader hatten noch größere Probleme in diesem Boulder und erreichten nicht die Zone.

Im letzten Boulder führten große Volumen zum Top. Philipp Martin schaffte hier erneut den Flash – und gewann damit die Boulderrunde. Zwar konnte Hojer auch drei Mal flashen, doch bei Gleichstand zählt das Vorrundenergebnis – und da lag Martin vor Hojer. Dritter wurde Max Prinz, der einen Boulder und zwei Zonen schaffte. Hier zeigt sich, dass gerade im Bouldern Erfahrung eine ganze Menge zählt.

 

Lead: Sieg für Hojer, starke Leistung von Tekles und Martin

Im Seilklettern entschieden sich die finalen Platzierungen. Hojer und Martin gehören darin zu den absoluten Spezialisten – genauso wie Martin Tekles, der in der Qualifikation als Einziger toppen konnte. Tekles hatte zwar mit dem Ausgang der Meisterschaft nichts mehr zu tun, doch wenn er auf Platz eins kletterte, bescherte er den anderen höhere Multiplikatoren – und beim Combined werden ja alle drei Ergebnisse miteinander multipliziert. Da macht es einen großen Unterschied, ob man Erster oder „nur“ Zweiter wird.

In die rund 19 Meter hohe und 10 Meter überhängende Lead-Wand hatten die Routesetter eine Tour in der Schwierigkeit 8b (UIAA X) geschraubt. Die größte Crux wartete nach vielen „dualtexture“-Griffen und einer Boulderpassage weit oben: Dort mussten man – bereits gepumpt – einen weiten Sprung nach rechts wagen. Als einer der Ersten ging Lead-Spezialist Martin Tekles an die Wand – er war auch der Hauptfavorit in dieser Disziplin. Er scheiterte nach einem souveränen Go an dem Sprung. Ob andere überhaupt so weit Klettern würden?

Sebastian Lucke, einer der Speed-Spezialisten, fiel bereits unglücklich nach dem 5. Zug. Als 6. ging Jan Hojer an die Griffe. Seine größten Konkurrenten warteten noch in der Isoaltion: Linus Bader und Philipp Martin. Die Rechnung war einfach: Wer von diesen dreien Lead gewann, würde auch Erster sein. Am Sprung nahm sich Hojer kurz Zeit – und schaffte ihn. Er stürzte allerdings kurz vor dem Top. Gleich danach ging Philipp Martin an den Start. Doch er stürzte beim Sprung. Dann war der bisher Erste an der Reihe: Linus Bader. Das erst 17-jährige Nachwuchstalent aus Bayern hatte das Wochenende seines Lebens. Er stürzte leider noch vor dem Sprung und wurde damit Vierter im Lead.

Im Gesamtranking reichte das verdient für Bronze. Platz zwei sicherte sich Philipp Martin – und Jan Hojer verteidigte seinen Titel!

 

Ergebnisse der Deutschen Meisterschaft in Olympic Combined 2019 – Augsburg

[two_columns_one]Damen:

1 BESTVATER Alma
2 GORZELLIK Catrin
3 HÖNIG Afra

4 HOPFENSITZ Sandra
5 SCHMIDT Magdalena
6 VAN DER WEL Elisa
7 RITTER Franziska
8 KAUTZNER Christina
9 KÜHNE Amelie Heilbronn
10 GROTE Jiline Wuppertal
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[/two_columns_one][two_columns_one_last] Männer:

1 HOJER Jan
2 MARTIN Philipp
3 BADER Linus

4 SANDECK Nils
5 PRINZ Max
6 LUCKE Sebastian
7 TEKLES Martin
8 DEURING Jannis
9 KINDERMANN Jannik
10 NIBLER Jakob
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[/two_columns_one_last]

Fazit der Nachwuchstrainerin und Boulder-Weltmeisterin Jule Wurm

Die erfahrenen Athletinnen und Athleten (Jan, Philipp, Alma, Afra) haben durchweg gute Leistungen gezeigt und konnten dem Druck standhalten. Almas neuer deutscher Speedrekord war im Hinblick auf Olympia sicherlich ein Highlight des Wochenendes! Beim Nachwuchs haben Viele ihr Talent gezeigt, auch wenn der Anschluss zu den nationalen und internationalen Top-Athleten noch fehlt: Auf einem nationalen Event sieht das Ergebnis knapp aus, aber international wären einige Athleten aus anderen Ländern zwischen den deutschen Top-Startern und den Jüngeren gelandet. Unser Fazit: Wir müssen alle härter trainieren! Bei Vielen fehlt es noch an der Physis, aber das kriegen wir sicher hin!

https://youtu.be/1ICNZi-Mjuw?t=393

    Text: Franz Güntner/ DAV,  Kletterszene Foto: DAV/Marco Kost
  • Beitragsdatum 23. September 2019