200 Touren in 96 Stunden

200 Routen in vier Tagen rotpunkt klettern – und damit Spenden für die humanitäre Hilfe sammeln: Das wollen die beiden Wahlfranken Michael Agatha und Ole König bei ihrer Aktion „200 x 7 Bike & Climb Frankenjura“ Ende April tun. Micha, 32 Jahre, Manager für Sport-Marketing, und Ole, 28 Jahre, Astrophysiker, wollen damit Solidarität mit den Menschen in und aus der Ukraine zeigen – und ein Zeichen gegen den Krieg setzen. Mit Unterstützung ihres Kooperationspartners „Masters of Stone e.V. und ihrer Sponsoren wollen die beiden 200 Routen im 7. Schwierigkeitsgrad (7- bis 7+) – darunter Klassiker wie „Schaumschläger“, „Panische Zeiten“, „Frankenschnellweg“ und „Devil’s Crack“ – in vier Tagen rotpunkten. Einziges Fortbewegungsmittel in dieser Zeit ist das Fahrrad. „Wir sind zwei kletterbegeisterte Typen, für uns ist das eine coole Herausforderung“, sagt Micha im Interview mit Kletterszene.com. Daneben wollen die beiden aber auch aktiv den Verein „Athletes for Ukraine“ unterstützen – und mit ihrer Aktion für diesen Spendengelder einwerben. Der Verein leistet Soforthilfe für Betroffene des Krieges in der Ukraine.

Micha, Ole, wer von euch beiden hatte denn die Idee für Bike & Climb?

Micha: Also die Idee, Franken anders wahrzunehmen, hatte ich schon seit längerem… nicht nur für einen Tag rausfahren und eine schwere Tour projektieren, sondern dort einmal länger unterwegs zu sein. Dann kam der Kriegsausbruch und es gab – auch aus der Klettercommunity – eine enorme Hilfsbereitschaft. Ich wollte auch etwas beitragen, aber halt nicht nur meinen alten Schlafsack spenden. Der Gedanke war, beides zu verbinden: den betroffenen Menschen in der Ukraine und den geflüchteten Ukrainerinnen und Ukrainern hier in Deutschland zu helfen, und länger in der Fränkischen unterwegs zu sein… und irgendwann hatte ich dann die Idee mit dem Bike & Climb-Projekt und bin auf den Verein „Athletes for Ukraine“ gestoßen. Ja, und dann habe ich mich auf die Suche nach einem Partner gemacht – und Ole gefunden.

200 Routen in vier Tagen, das sind also 50 pro Tag. Das hört sich – vorsichtig formuliert – ambitioniert an… 

Ole: Vor zwei Jahren habe ich schon mal etwas Ähnliches durchgezogen, damals waren es 30 Touren im 8. Grad in 24 Stunden. Wir sind mit dem Rad um vier Uhr morgens von Erlangen aus gestartet, haben insgesamt 22 Stunden gebraucht.

Da war ich danach ziemlich durch. Aber es hat geklappt. Micha und mir war aber bewusst, dass Achter zu krass sind, deshalb haben wir uns auf Siebener konzentriert. Die Idee war, 200 als Nummer rauszuwerfen, das sind dann 25 pro Person pro Tag. Das ist ambitioniert, aber es ist realisierbar. Wir werden wieder von Erlangen aus mit dem Rad – wenn es klappt mit einem Tandem – losfahren und dann eine große Runde durch die Fränkische machen.

Wie bereitet ihr euch vor? Seid ihr nur noch am Spulen?

Micha: Wir haben vor etwa drei Wochen unabhängig voneinander mit einem spezifischen Training begonnen. Das ist zum einen Strampeln auf der Fahrradrolle und zum anderen Seilklettern – in der Halle und auch draußen. 25 Touren in kurzer Zeit sind schon locker drin. Wir wollen auch noch mit dem Tandem einen Probetag absolvieren – um zu sehen, wo wirklich die eigentliche Belastung ist und wo wir noch mehr Ausdauer brauchen. Wir haben durch Ole´s vergleichbares Projekt ja immerhin schon einen Erfahrungsschatz und das ist sehr hilfreich.

Habt ihr für die vier Tage einen minutiösen Ablaufplan?

Ole: Ja, den Plan gibt’s schon. Dort sind die Felsen, die jeweiligen Touren, die Zeiten und die Höhenmeter, die wir zwischen den Felsen fahren müssen, notiert. Wir haben aber auch einen Puffer eingebaut, es kann ja sein, dass eine Tour belegt ist oder ein Fels nass ist. Starten werden wir am ersten Tag am Roten Fels mit dem Schaumschläger, später geht’s dann an die Zimmerbergwände und letzter Fels an diesem Tag wird der Weißenstein sein. Dort werden wird dann wahrscheinlich auch auf der Wiese schlafen.

Zieht ihr das komplett allein durch – oder bekommt ihr von außen, durch Freunde oder Familie, Unterstützung?

Micha: Komplett eigenständig, wir wollen auf uns selbst gestellt sein – ohne Supporter. Also niemand deponiert für uns Wasserflaschen am Fels oder geht für uns einkaufen. Für den ersten Tag nehmen wir noch Proviant mit, ansonsten werden wir Nudeln und Pesto einkaufen oder auch mal zum Essen gehen. 

Ole: Unser größtes Problem bei der ganzen Sache ist tatsächlich der Faktor Zeit. Eigentlich wären sieben oder acht Stunden Schlaf gut, aber das wird schwierig werden. Mit den ganzen Felswechseln werden wir wohl pro Tag 15 Kletterstunden haben, dann noch einkaufen und kochen… wir werden uns sputen müssen.

Ganz wichtig für euch ist ja auch die Fortbewegung by fair means, also mit dem Rad, oder?

Ole: Ich finde das Prinzip grundsätzlich mega cool. Die Anreise mit den Öffis und dem Rad, das geht in vielen Gebieten auch super. Die Fränkische ist nur sehr groß, die Felsen sind sehr verteilt… und mit den Öffis hinzukommen, ist oft kaum möglich. Das geht leider nur bei wenigen Felsen problemlos, wie bei der Veldener Wand.  

Micha: Für mich ist bei unserem Projekt beides gleich gewichtet: die 200 Touren zu klettern – und nur das Rad als Fortbewegungsmittel zu nutzen. Insgesamt werden es in den vier Tagen wohl 200 Kilometer werden. Darauf wollen wir auch aufmerksam machen, dass man nicht unbedingt das Auto braucht, um zum Fels zu kommen. Das geht auch anders und man hat auch dann noch Kraft zum Klettern. Wir wollen da schon ein Zeichen setzen – das ist uns ein sehr wichtiges Anliegen.

Ole: Mir ist das Thema Nachhaltigkeit allgemein superwichtig. Ich hätte aber auch nicht mitgemacht, wenn wir nicht das Rad benutzen würden.

Ihr habt das alles ja wunderbar geplant, aber das Wetter könnt ihr nicht beeinflussen… was macht ihr, wenn es an den vier Tagen durchregnet?

Micha: Ja, das Wetter ist nicht planbar – aber die Aktion soll definitiv stattfinden. Deshalb haben wir zwei Alternativtermine. Aber wir hoffen natürlich, dass es gleich im April klappt… sonst müssten wir ja weiter Ausdauer trainieren (lacht). 

Und ihr hofft natürlich auf viele Spenden?

Ole: Ja, klar… wir hoffen, dass unser Projekt viele Unterstützer findet. Für uns ist es eine sportliche Herausforderung. Aber das macht auch Bock. Durch die Spendenaktion ist das Projekt in die Öffentlichkeit gerückt, der Bayerische Rundfunk hat beispielsweise schon über uns berichtet. Wir hoffen, dass durch unsere Familien, Freunde, durch Social Media und natürlich auch durch das Interview hier mit Kletterszene unser Projekt bekannter wird. Ach ja, Plakate haben wir auch schon gedruckt. 

Habt ihr schon Unterstützer gefunden?

Micha: Ja, der prominenteste ist Alex Megos, der hat auf Instagram unsere Aktion gepostet und unterstützt uns. Das hilft natürlich sehr und wir sind super dankbar dafür. Bisher haben wir 2500 Euro beisammen. Unser Ziel ist, circa 10 000 Euro an Spendengeldern zu generieren, mal sehen, ob wir das schaffen. An der Stelle möchten wir auch schon mal Danke sagen an unsere Sponsoren – Scarpa, E9, Sterling & Clifbar sowie Masters of Stone e.V. – die uns sehr unterstützen. Also bislang ist das sehr gut angekommen. Ich werde inzwischen auch schon in der Halle von anderen Kletterern auf unser Projekt angesprochen, die finden das alle cool. Also der ganze Aufwand hat sich auf jeden Fall schon jetzt gelohnt.

Mal ganz ehrlich: wird euch manchmal nicht auch ein bisschen bange bei dem Gedanken an die 200 Touren in vier Tagen?

Ole: Also ich denke, wenn Micha und ich erst einmal losgeradelt sind, bin ich entspannter. Der öffentliche Druck, dass wir performen, ist gestiegen… aber Druck muss ja nicht unbedingt schlecht sein (lacht). Und bei Alpintouren oder größeren Projekten gehört eine Aufregung bei mir ja auch dazu. Ich habe aber richtig Bock, uns zu schinden und an meine Grenze zu gehen.

Micha: Im Vorfeld alles ins Rollen zu bringen, bedeutet immens viel Arbeit. Ich bin alleine deshalb schon froh, wenn es dann endlich losgeht. Und wie gesagt: eine gewisse Anspannung zuvor ist normal, die verfliegt, wenn wir losradeln. Das wird ein riesengroßer Spaß. Schlaflose Nächte habe ich deshalb zumindest nicht.

  • Credits Text Gudrun Regelein f. kletterszene.com
  • Credits Fotos Stefan Riedl
  • Beitragsdatum 30. März 2023