Shangri-La – Bouldern im Schatten von Shivas Winterresidenz

Nachdem Bernd Zangerl die Creme de la Creme der Kletterszene zum Red Bull 5 Blocks gebeten und die Jungs die heimischen Highballs zerlegt hatten, hieß es für den Tiroler wiedermal Sachen packen und ab in die große Welt. Ziel war in diesem Jahr wieder sein persönliches Kletterparadies im Himalaya, dessen Koordinaten er nicht verraten will, um das Geheimnis und den Zauber des Ortes zu bewahren. Dort oben, auf 4000 Metern, hat Bernd sein ganz persönliches Shangri-La gefunden und widmet sich Jahr für Jahr in dieser Abgeschiedenheit und Ruhe den schwersten Boulderprojekten.

Bernd Zangerl

Vor sieben Jahren stieß Bernd in einem alten Reiseführer auf ein Foto, das ein Gipfelmassiv mit Wänden, die hunderte Meter in die Tiefe stürzen, zeigt. Sofort war sein Entdeckergeist geweckt und die Sehnsucht nach dem Himalaya entfacht:

Ich wollte dieses Tal sehen, um jeden Preis.

Mit dem alten Foto und ausgedruckten Google-Karten macht er sich dann vor fünf Jahre auf die Suche nach diesem märchenhaften Ort und wurde im Schatten des 6.000 Meter hohen Kinnaur Kailash im indischen Bundesstaat Himachal Pradesh fündig. Was er dort fand, übertraf all seine Vorstellungen bei weitem: Dorfbewohner, die wie seit Jahrtausenden im Einklang mit der Natur leben und kaum je von Touristen besucht werden und ein Boulderparadies, das man sich in den kühnsten Träumen nicht erhofft. Seitdem kehrt er jedes Jahr – dieses Mal mit seinem Freund Alex Luger, der Iranischen Kletterin Nasim Eshqi und dem kanadischen Star-Fotograf Ray Demski.

Zangerls Kletterparadies liegt in einem Tal nahe des Kinnaur Kailash, der als Winterresidenz des Gottes Shiva gilt und als Heiligtum der Buddhisten und Hinduisten zählt. Turmhohen Felsfassaden aus Granit geben der Gegend ihren unverkennbaren Flair:

„Dort, im letzten Dorf von Indien, habe ich alles gefunden, wonach ich auf dieser Welt gesucht habe“, sagt er und möchte dieses Geheimnis auch ein wenig für sich bewahren. Nur ausgewählte Menschen bekommen mehr Infos oder dürfen Bernd begleiten, so wie sein Freund Alex Luger: „Alex ist ein wilder Hund, aber er kann Risiken gut einschätzen. Er war mein Begleiter bei vielen anspruchsvollen Erstbegehungen. Wenn er mich ‚spottet‘, kann ich viel riskieren, weil ich ihm zu hundert Prozent vertraue.“

Bernd kommt hier nun schon seit fünf Jahren hierher und ist immer noch beeindruckt von den Möglichkeiten, die endlos zu sein scheinen. Mittlerweile genießt er das Vertrauen der Dorfgemeinschaft – und den Segen der Götter. Denn den versprachen ihm die Dorfältesten, als sie Zangerl gemeinsam mit Nasim und Alexander erlaubten, auf einem Hochplateau zu klettern, das normalerweise für Besucher tabu ist.

Bernd Zangerl

„Die Versorgungslinie“, ein sieben Meter hoher Block den Bernd letztes Jahr bezwingen konnte, hat ihn ganze fünf Jahre beschäftigt und mehr als 200 Versuche gekostet – und von diesen Kalibern gibt es noch mehr in in diesem versteckten Kletterparadies. „Das war meine schwierigste Erstbegehung, für die ich sehr viel Geduld aufgebracht habe“, sagt er. „Mir geht es nicht um Leistung, sondern um Freiheit. Nur wenn ich die spüre, klettere ich ganz aus mir heraus. Dann ist alles klar und alles möglich.“ Auf dem Bild sieht man das Hauptprojekt dieser Reise „Shangri-La“.

Es ist ganz simpel: Ich will einfach nur den Fels spüren.“, sagt Nasim und diese uneitle Begeisterung ist es, die Nasim, Luger und Zangerl teilen. Auch Bernd schaut nicht mehr auf den Schwierigkeitsgrad, denn für ihn sind Linien, spezielle Kanten oder eine Steinformation, einfach die Beschaffenheit der Felsen, wichtiger geworden und die Auswahl ist hier schier unendlich: „Die schwierigsten Routen meines Lebens habe ich dort oben gemacht. Alle ohne Publikum, alle nur für mich. Du suchst dir den schönsten Stein, die wildeste Route und weißt: Du bist der Erste.“

Dort oben, auf 4.000 Metern, fühlt sich Zangerl wie in den Anfangstagen des Boulderns: „Ich habe die schönsten Projekte der Welt und kann sie ganz in Ruhe angehen.“