Rekordsommer im Yosemite

In kaum einem anderen Sommer tummelte sich im Yosemite National Park, CA (USA) so viel geballtes Kletterkönnen. Fast täglich gab es im Spätherbst 2016 Meldungen zu starken Begehungen aus dem amerikanischen Alpinklettermekka. Mitten drin im Geschehen waren auch die Marmot PRO Athleten Jorg Verhoeven und Katharina Saurwein. Beide Kletterer konnten ihre ehrgeizigen Projekte innerhalb nur weniger Wochen knacken. So gelang Jorg nach knapp 10 Jahren die zweite Begehung der ‚Dihedral Wall‘ (5.14a/8b+) nach Erstbegeher Tommy Caldwell. Eine wirkliche Spitzenleistung! Auch Katha setzte mit ihrem soliden und schnellen Durchstieg von ‚Final Frontier‘ (5.13b/8a) ein starkes Zeichen! In ihrem kurzen Reisebericht erzählen und Katha und Jorg von den Erlebnissen im Yosemite. Viel Spaß beim Lesen!

Erste Eindrücke vom Yosemite Valley

im-talYosemite Valley ist ein extrem beeindruckender Ort. Kein Wunder, dass die Touristen die Trails stürmen, die zahlreichen Wasserfälle bewundern und Schlange stehen, um Selfies vor dem El Capitan zu machen. Das konnten natürlich auch wir nicht auslassen. Schließlich ist diese beeindruckende Wand, die direkt vom Talboden aus an die 1000m in die Luft ragt, der erste Blickfang wenn man in das Tal abbiegt. Nach einigen Bildern und den klassischen Touri-Selfies sind wir weiter ins Camp4. Das Zeltcamp ist der Klettertreff schlechthin im Yosemite und auch wir haben dort klassisch im Zelt übernachtet.

Sobald man den Talboden mit sämtlichen Touristen hinter sich lässt und in die Wand einsteigt, ist man auf einmal ganz alleine (zu mindestens in den Routen, die wir versucht haben). Man ist völlig auf sich gestellt, kann die wunderschöne Natur ganz in Ruhe genießen und sich voll und ganz aufs Klettern konzentrieren. Auch das Schlafen in einem freihängenden Portaledge in schwindelerregender Höhe ist etwas ganz Besonderes. Es ist ruhig, die Aussicht ist genial und man schläft auch noch bequem. Natürlich hat diese Art der Nächtigung auch seine Tücken: vor allem Kochen und der Toilettenbesuch gestalten sich doch etwas schwieriger als auf festem Boden…

Final Frontier 5.13b, Fifi Buttress

Als Neuling bei großen alpinen Touren stellte sich mir zunächst die Frage wie man ein Mehrseillängen-Projekt angeht. Mein Ziel war es, die Route ‚Final Frontier‘ an einem Tag zu klettern, weshalb ich die einzelnen Längen wirklich gut drauf haben musste. Ich habe den gesamten ersten Tag gebraucht, um die Route irgendwie bis zur siebten Länge hoch zu kommen. Dabei habe ich Schlingen gehalten, an Friends gezogen und mich Meter für Meter hoch gekämpft. An den nächsten beiden Tagen (eine Woche später) habe ich dann Länge für Länge ausgebouldert, die Placements markiert und mich auf einen Durchstiegsversuch vorbereitet. Wieder ein paar Tage später sind Jorg und ich dann um 5:00Uhr morgens aufgestanden, haben um 05:30 mit dem Zustieg begonnen und sind eine Stunde später in die Wand eingestiegen. Frühes Aufstehen ist ein Muss beim Mehrseillängen klettern, vor allem im Winter, wenn die Tage sehr kurz sind. Ich bin den ganzen Tag geklettert, Länge für Länge durchgestiegen, Jorg ist hinter mir her gejümart und dann standen wir noch vor Sonnenuntergang am Gipfel. Ein einfach unbeschreiblicher Moment! Die gesamte Route klettert sich wirklich genial und vor allem die zwei Schlüssellängen, zwei unglaubliche Verschneidungen mit einem perfekten Riss in der Ecke, haben mich schon am ersten Tag von der Route begeistert.

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Dihedral Wall 5.14a, El Capitan

Nach meinem Erfolg widmeten wir uns nun voll und ganz Jorgs Projekt. ‚Dihedral Wall‘ mit ihren knapp 30 Seillängen war zeitlich gesehen nochmal eine ganz andere Herausforderung als mein Projekt mit nur 9 Seillängen. Wir haben Tage, Wochen in der Wand verbracht, nur um Seile zu fixieren, die Tour zu putzen und um alles für einen Versuch vorzubereiten. Nach zwei Wochen waren dann alle Längen bis inkl. Länge 13 mit Seilen fixiert und wir hatten alles, was man zum Übernachten braucht (Portaledge, Matten, Schlafsäcke, Kochutensilien, Essen und Trinken, usw.) bis zu einem Podest nach Länge 9 gehault. Jorg arbeitete viel an den einzelnen Boulderstellen, den harten Passagen und startete dann am 8.November seinen zweiten Durchstiegsversuch, nachdem er beim ersten Versuch an der Schlüssellänge gescheitert war. Er kletterte am ersten Tag die ersten fünf Längen bis zur 5.14a Schlüsselseillänge. Als er diese am zweiten Tag schaffte war klar, dass wir einige Tage in der Wand verbringen würden und dass er wirklich gute Chancen hatte die ‚Dihedral Wall‘ zu klettern. In den beiden darauffolgenden Tagen kämpfte er sich bis Länge 14 hinauf. Am fünften Tag in der Wand startete er schließlich den ersten Gipfelversuch. Jorg kletterte die erste Länge um 7:00 Uhr morgens und um Mitternacht erreichten wir den Gipfel des El Capitan: 17 Stunden Klettern mit nur 2,5 Liter Wasser und sechs Riegeln für uns beide. Was für ein Tag! Wir sind fix und fertig beim Ausstieg angekommen, aber es hat sich gelohnt: am 11. November schaffte Jorg die erste Wiederholung nach Tommy Caldwells Erstbegehung vor knapp 10 Jahren.

Teamwork

Teamwork war bei diesem Trip das wohl wichtigste Element und ein Stück weit unser Schlüssel zum Erfolg. Projekte wie diese schafft man nicht alleine. Man braucht einen Partner, der einen bei den Vorbereitungen unterstützt, der Material trägt, die Wand hoch hault, der einen sichert und der einen vor allem mental unterstützt und stärkt. Bei der Begehung so langer Routen und tagelangem Quälen in der Wand kommt immer irgendwann der Punkt, an dem man sich unsicher fühlt und Zweifel am eigenen Können aufkommen, sodass man müde und erschöpft den Sinn seins Tuns anzweifelt und ans Aufgeben denkt. Genau dann ist ein zuverlässiger Partner gefragt. Jorg und ich haben uns gegenseitig unterstützt und gestärkt, uns gut zugesprochen und dafür gesorgt, dass die Zeit in der Wand unterhaltsam, entspannt und einfach schön war. Wir hatten einen unglaublichen Trip, haben viel Zeit und auch Arbeit in Projekte investiert, eine super Zeit in der Wand verbracht und viel Schönes erlebt, das wir nie vergessen werden.