Im Gespräch mit der starken Fränkin Chiara Hanke

Chiara Hanke begann erst vor gut zehn Jahren mit dem Klettern. Damals entdeckte sie nach einer Schulter-OP in ihrem damaligen Wohnort Ingolstadt eine Kletterhalle. „Und dachte mir, dass das Training dort für den Muskelaufbau ganz gut wäre.“ Danach war sie angefixt, „das hat mir voll Bock gemacht“. Heute zählt die 25-Jährige frühere Wettkampfkletterin zu den besten Felskletterinnen Deutschlands. Im vergangenen Jahr punktete Chiara in Franken vier extrem harte Touren: Neben dem Güllich-Klassiker Wallstreet (8c), den sie als erste deutsche Frau klettern konnte, auch Battle Cat (8c / 8c+), Odd Fellows (8c) und Lost Schnuller (8c).

Ks.com: Margo Hayes kletterte vor kurzem mit „Papichulo“ ihre dritte 9a+: ist für dich inzwischen auch eine Tour in diesem Schwierigkeitsgrad denkbar?

Chiara: Na ja, vor zwei Jahren hätte ich mir ganz sicher noch keine 8c-Tour zugetraut. Eine 9a wäre also nicht komplett unvorstellbar, aber momentan wage ich noch nicht, so weit zu denken.

Du gehörst zu den ganz wenigen Frauen in Deutschland, die Routen im Bereich 8c / 8c+ klettern. Hast du dafür spezifisch trainiert? Und hast du die Touren lange projektiert?

Lange projektiert habe ich die nicht: es sind höchstens sechs Wochen zwischen dem Anschauen und Durchstieg vergangen. Ich habe in dieser Zeit zwar versucht, möglichst regelmäßig zu meinem Projekt zu kommen, war aber auch nicht jeden Tag dort. Spezifisch trainiert habe ich auch nicht, also ich habe mir beispielsweise nicht einzelne Züge als Trainingsboulder geschraubt, dafür war die Zeit zu kurz. Aber mein Training zuvor war allgemein schon spezifiziert, seitdem ich es ins Café Kraft verlegt habe. Das Training dort hat mir nicht nur viel Spaß gemacht, sondern mir auch sehr viel gebracht. Mein ganzes neues Umfeld, beispielsweise Alex Megos, der damals mit seinem Training an der 45-Wand begann (Anmerkung von Ks.com: Das ist eine Trainingswand mit einer 45-Grad-Neigung, die auf Wunsch von Alex im Café Kraft gebaut wurde), hat mich stärker gemacht. Und dann war ich in dieser Zeit viel mit Katrin Gründel, der früheren EM-Meisterin im Lead, unterwegs. Wir waren oft zusammen klettern und das hat mich auch gepusht.

Ärgerst du dich, wenn Frauentouren häufig abgewertet werden oder wenn die Bemerkung kommt, dass für die Frau die Tour ja viel leichter war, weil sie so leicht ist und kleine Finger hat?

Bei meinen Touren war es so, dass die von der Bewertung her nicht an der Grenze lagen. Wallstreet ist halt nun mal eine 8c, das wird jetzt auch nicht bezweifelt, weil sie eine Frau geklettert hat. Bei mir kommen aber auch wenige solche Kommentare. Wenn, dann sage ich: „Dann klettere sie halt selber“. Ich ärgere mich aber inzwischen auch nicht mehr über diese Bemerkungen, für mich sind sie eher ein Anreiz, schwer zu klettern.

Klettern Frauen tatsächlich anders als Männer?

Ja, auf jeden Fall. Männer haben mehr Selbstbewusstsein. Die sagen sich, ich steige mal ein und wenn ich dann was auf die Fresse bekomme, dann ist das halt so. Bei Frauen ist das anders, die haben wahrscheinlich auch eine ausgeprägtere Sturzangst. Ich habe mittlerweile zwar eine gute Fingerkraft, aber im Vergleich zu den Jungs bin ich weniger athletisch – das sind einfach die körperlichen Unterschiede. Was ich aber immer ganz witzig fand: wenn ich eine schwere Route gemacht habe, war danach immer ein Ansturm auf diese Tour und zwar gerade von den  Jungs. Wahrscheinlich haben sich einige gedacht, dass das dann wohl eher eine leichte 8c ist, weil sie eine Frau geklettert hat. War dann für die meisten aber wohl doch nicht so leicht zu klettern…. (lacht).

Aber weshalb sind Frauen und Mädls, dieim Wettkampf zahlenmäßig ja inzwischen sehr stark vertreten sind, am Fels immer noch wenig aktiv? Zumindest als selbständige Kletterinnen und nicht als Begleiterinnen.

Beim Wettkampf ist die Tendenz tatsächlich steigend. Am Fels dagegen fühlen sich noch immer nicht so viele Frauen zu Hause. Oder stellen ihre eigenen Interessen hinten an. Wenn der Kletterpartner einen anderen Fels vorschlägt, als den, zu dem die Frau will, dann geht sie halt meistens mit. Frauen setzen ihre eigenen Wünsche oft nicht so durch, sondern sind kompromissbereit. Das ist so ein typisches Frauending. Wenn ein Mann ein Projekt hat, dann will er da hin – um jeden Preis. Frauen sind wahrscheinlich prinzipiell sozialer. Und fühlen sich wahrscheinlich auch mehr unter Druck gesetzt, wenn sie am Felsen sind, denken, dass es jetzt dann aber auch gut laufen muss.

Apropos Wettkampfklettern: Du warst im Bundeskader, hast an vielen nationalen und internationalen Wettkämpfen teilgenommen. Reizt dich das noch? Oder liegt dein Fokus jetzt auf dem Felsklettern?

Schwierige Frage. Dieses Jahr wäre ich schon gerne bei den Wettkämpfen gestartet, aber während der Qualiphase bin ich mit meinem Sponsor Scarpa bei einer Kletterreise in Jordanien. Momentan verändert sich halt im Wettkampfklettern auch ganz viel wegen des Themas Olympia. Die Trainings, die Anforderung – das zerrt alles unheimlich an den Kräften und ist mental auch wesentlich anspruchsvoller geworden. Ich habe richtig viel Spaß mit meinen Leuten am Fels, das Felsklettern macht mir momentan schon mehr Bock. Ich konnte dort meine Grenzen verschieben und bin ganz alleine für mich verantwortlich. Das waren für mich komplett neue Erfahrungen. Aber ich schließe es nicht aus, dass ich wieder bei Wettkämpfen starten werde – auch wenn momentan mein Fokus auf dem Felsklettern liegt.

Bist du deshalb nach Franken gezogen?

Nein, deshalb nicht. Das war wegen meines Studiums. Ich habe mich an verschiedenen Unis beworben und in Bayreuth einen Platz bekommen. Vor kurzem bin ich mit meinem Mann nach Betzenstein gezogen. Und wir fühlen uns beide hier sehr wohl.

 Die Felsklettersaison läuft: Hast du schon Projekte für 2019?

Normalerweise lasse ich das ja auf mich zukommen und suche mir keine Projekte. Es ist bei mir so, dass ich unter einem Felsen stehe, eine Linie sehe und mir denke: „Die will ich klettern.“ In diesem Jahr habe ich aber tatsächlich schon was entdeckt. Mal schauen, wie das läuft.