Hang right – Langwierige Fingerverletzungen ausheilen

Das Hangboard wird häufig als Trainingsgerät betrachtet, das die Sehnen in den Fingern stark beanspruchen kann. In dieser Ausgabe unserer Hang Right-Serie erläutert die Physiotherapeutin Ester Smith jedoch, wie das Hangboard die Ausheilung von langwierigen Fingerverletzungen unterstützen kann.

Dan Mirskys Geschichte ist eine von vielen – aus einer vermeintlich leichten Fingerverletzung, die er sich beim Klettern zugezogen hatte, wurde ein chronisches Übel, welches sich scheinbar nicht in den Griff bekommen liess. Nach einer Untersuchung war klar, dass all diese Beeinträchtigungen in Zusammenhang standen. Die Upstream-Disbalancen und das lokal geschädigte Fingergewebe waren die Ursache für chronische Schmerzen und einen Finger. Zu Dans Erleichterung bestand die Lösung zu seiner klassischen A2 Ringbandverletzung nicht in einer Ruhepause. Stattdessen war die Antwort ein therapeutischer Trainingsplan zum progressiven Hängen, bei dem er den verletzten Finger belasten würde, um das verletzte Gewebe zu regenerieren und Kraft aufzubauen.

Das Hangboard wird häufig als Trainingsgerät betrachtet, das Fingerverletzungen verursacht. In diesem Artikel möchten wir Euch jedoch erläutern, wie Ihr es als Reha-Gerät einsetzen könnt. Denn neben der gezielten Behandlung der eigentlichen Verletzung war es ebenso wichtig, die Upstream-Disbalance von Dan zu behandeln, die sich entlang der gesamten linken Seite manifestiert hatte. Die meisten Menschen haben leichte Disbalancen, die uns für Verletzungen an unseren schwächsten Stellen empfänglich machen.

PHASE 1: Grassroots Finger recovery Program 

Ist Deine Fingerverletzung vor weniger als 6 Wochen aufgetreten, führe sobald wie möglich dasfolgende Programmaus, nachdem Du die ärztliche Erlaubnis dafür eingeholt hast. Im folgenden Grassroots Self Treatment Video Video findest Du eine detaillierte Anleitung:

  •  Behandlung von Entzündungsprozessen: Kletterpause, Eis, Kompressen und Tape zur Unterstützung und zum Abschwellen. In dieser Phase ist es wichtig, die Symptome zu beobachten und sich dementsprechend zu verhalten. Die Kletterpause und die Behandlung der Entzündungsprozesse werden vermutlich mehrere Wochen umfassen.
  •  Gleiten der Beugesehne: progressives Bewegen der einzelnen Fingerglieder in einer bestimmten Reihenfolge, um die Sehnen durch ihr gesamtes Bewegungsspektrum gleiten zu lassen, wie in PICS (1) – (4) dargestellt. 10 Wiederholungen, 3 – 5 Mal pro Tag.
  •  Stiftrollen: Halten eines Stifts mithilfe der oberen Fingerglieder und anschliessendes Rollen des Stifts unter Verwendung aller Finger (Zeigefinger bis kleiner Finger), wie in PICS (5) – (7) dargestellt. 1 – 3 Minuten, 3 – 5 Mal pro Tag.
  •  Sanftes, aktives Beweglichkeitstraining
  • Reiseimer: sanftes Durchführen verschiedener Handgelenks- und Fingerbewegungen mit dem Widerstand von Reis in einem Eimer, wie in PICS (9) – (11) dargestellt. Hierbei ist es wichtig, eine gerade Linie zwischen Unterarm und Hand beizubehalten, was wir als „neutrales Handgelenk“ bezeichnen. 30 Sekunden für jede der vorgeschlagenen Bewegungen, 1 – 2 Mal täglich.
  • Leichtes Therapiekneten: Auseinanderziehen der Knete mit verschiedenen Handgriffen, wie in PICS (12) – (14) dargestellt.
  • Handtuch aufnehmen: Durchbewegen der Sehnen beim Aufnehmen eines Handtuchs in der Hand mit neutralem Handgelenk. 1 – 5 Minuten täglich, wie in PICS (15) – (16) dargestellt.

Es empfehlen sich Lebensmittel, welche die Heilung von Gewebe fördern, inklusive Anthocyane (in roten und blauen Früchten sowie Gemüse enthalten), Kurkuma, Omega-3-Fettsäuren und mineralstoffhaltige Nahrung wie Brühe. Ebenso wichtig ist es, in dieser Zeit ausreichend zu trinken.

Beginne mit den Upstream-Lösungen, die wir nachfolgend vorstellen.

Es ist ratsam, erst dann mit dem Klettern oder „Phase 2: Regeneration“ (nachfolgend beschrieben) zu beginnen, wenn die Beweglichkeit in allen Fingergelenken wiederhergestellt ist und die Belastungstoleranz des verletzten Fingers getestet wurde (beschrieben in Phase 2: Belastungstest.) Die Dauer der Kletterpause hängt vom Schweregrad der Verletzung ab. Der Bereich rund um die Verletzung fühlt sich bei Druckausübung meist noch schmerzhaft an, wenn Du in Phase 2 einsteigst. Dies sollte sich aber bei alltäglichen Bewegungen nicht mehr bemerkbar machen. Sollte 6 Wochen nach einer Verletzung noch immer keine vollständige Bewegung der Fingergelenke möglich sein, könnte dies auf ein Problem mit den Gelenken selbst hindeuten. Hier sollte der Rat eines Arztes eingeholt werden.

Liegt die Fingerverletzung mehr als 6 Wochen zurück, und alle Fingergelenke sind voll beweglich, führe die in Phase 1 beschriebenen Übungen durch und beginne, das verletzte Gewebe mit den Übungen in Phase 2 zu regenerieren. Es ist sehr wichtig, dass die Belastung angepasst wird, um den Körper dazu anzuregen, das verletzte Gewebe zu reparieren und neues Collagen für eine stärkere Sehne einzulagern. Während Phase 1 und 2 ist es durchaus möglich, mit leichten Kletterrouten in der Halle oder draussen zu beginnen, es ist jedoch wichtig, dass das Klettern nicht schmerzt und sich die Symptome nicht verschlechtern. Beim Klettern kannst Du unterstützend Tape verwenden, nicht jedoch während der Übungen.

PHASE 2: Grassroots Finger Remodeling Program 

Belastungstest:

Beginne mit einem leichten Aufwärmprogramm von 10 – 30 Minuten und verwende hierzu Übungen aus Phase 1.

Nach dem Aufwärmen hängst Du Dich 10 Sekunden lang mit Deinem Körpergewicht oder reduziertem Körpergewicht (nachfolgend beschrieben) und der richtigen“Hang Right“Technik. Um Deine Belastungstoleranz zu testen, suche Dir ein Hangboard mit einem tiefen Zweifingerloch, das mindestens die ersten zwei Fingersegmente aufnimmt. Verwende zum Hängen den verletzten Finger und einen Finger daneben (normalerweise Mittel- und Ringfinger). Die anderen Finger bleiben unbelastet und locker. Wir empfehlen die Belastung des verletzten Fingers durch Hängen, da auf diese Weise Sehnen und Bänder zum Klettern am effektivsten gestärkt werden können. Das Hängen an einem tiefen Zweifingerloch ermöglicht es, den verletzten Finger gezielt zu belasten. Wenn Du durch das Hängen mehr Kraft aufgebaut hast, sollte sich dies auch beim Klettern bemerkbar machen.

Diese Übung ist dazu gedacht, beim Hängen leichte Symptome (Ziehen oder leichten Schmerz) zu triggern. Schmerz ist nicht immer destruktiv und die Symptome, die jetzt auftreten, sorgen für einen langsamen Abbau des verletzten Gewebes und seine Regeneration. Diese Symptome müssen innerhalb von 10 Minuten nach dem Hängen verschwinden und es darf nach der Übung zu keiner Bewegungseinschränkung oder Steifigkeit kommen.

Wenn es nicht möglich ist, diese Übung mit Körpergewicht durchzuführen, wenn die Symptome länger als 10 Minuten bestehen bleiben oder wenn das Hängen sehr schmerzhaft ist, reduziere das Körpergewicht durch ein Flaschenzugsystem, mithilfe Deiner Füsse als Stütze oder mit einem Theraband.

Beachte dabei, dass die Symptome nicht durch das Ausüben von Druck auf Deinen Finger, sondern durch die Belastung durch das Hängen an den Fingern ausgelöst werden. Vermeide Symptome durch Druck, indem Du Griffe eventuell anpasst. Wenn Zweifingerlöcher keine Symptome hervorrufen, musst Du möglicherweise einen anderen Griff testen, der Deine Verletzung ausreichend belastet, um dieselben Symptome zu produzieren. Teste in diesem Fall eine Reihe von Griffen, um herauszufinden, welche am besten funktionieren.

Führe 3 Wiederholungen der 10-minütigen Hängeübung durch, mit jeweils 2 – 3 Minuten Pause zwischen den Einheiten. Nach dem Belastungstest sollten während der Übung aufgetretene Schmerzen nach 10 Minuten abklingen und es sollte zu keiner Steifigkeit oder Bewegungseinschränkung kommen. Wenn Du diese Kriterien erfüllen kannst, bist Du bereit, um mit Phase 2: Regeneration fortzufahren.

Beginne mit einem leichten Aufwärmprogramm von 10 – 30 Minuten und verwende hierzu Übungen aus Phase 1, oder klettere leichte Aufwärmrouten, sofern dies schmerzfrei möglich ist. Führe das Belastungsprogramm nicht durch, wenn Du müde bist. Es ist wichtig, sich frisch und ausgeruht zu fühlen, damit das Belastungsprogramm den Körper zur Selbstreparatur und Regeneration stimuliert, anstatt weitere Schäden zu verursachen.

Verwende die beim Belastungstest ermittelte Belastung, um die Regenerationsarbeit des Programms zu starten. Führe die 10-minütigen Hängeübungen 1 – 3 Mal pro Woche durch, mit jeweils 2 – 3 Minuten Pause zwischen den Einheiten. Verwende immer dieselbe Belastung, bis die Übung keine der bekannten Symptome mehr auslöst (Ziehen oder leichte Schmerzen).

Wenn die ursprüngliche Belastung keine der bekannten Symptome mehr auslöst, kannst Du jedes Mal 1 bis 2,5 kg hinzufügen, bis Du im Laufe der nächsten 6 – 8 Wochen 7 – 14 kg zu deinem Körpergewicht hinzugefügt hast. Bleibe immer im Bereich der festgelegten Symptome, nachdem Du die Belastung verändert hast – bekannte Symptome beim Hängen, Schmerzen klingen innerhalb von 10 Minuten wieder ab, keine Steifigkeit oder Bewegungseinschränkung. Die Belastung kann innerhalb einer Trainingseinheit erhöht werden, wenn du feststellst, dass die Belastung keines der bekannten Symptome auslöst, oder im Laufe von 6 – 8 Wochen kontinuierlich gesteigert werden. Normalerweise muss die Belastung wöchentlich gesteigert werden, um das Gewebe zu regenerieren und die bekannten Symptome auslösen zu können.

Wenn Du 7 kg über dem Körpergewicht erreicht hast, kannst Du andere Griffe zu Deinem Programm hinzufügen.

Wenn Du ähnliche Probleme mit Zangengriffen oder Leisten hast, solltest du mit diesen Griffen ein ähnliches Aufbauprogramm durchführen. Prüfe, ob Du mit einem anderen Griff bei Körpergewicht bei den festgelegten Symptomen bleibst und steigere Dich langsam, wie es die Symptome zulassen. Du kannst ein bis zwei andere Griffe in dieselbe Trainingseinheit integrieren: Aufwärmen, 10-minütiges Hängen mit jeweils 2 – 3 Minuten Pause zwischen den Einheiten, 3 – 5 Einheiten mit jedem Grifftyp, 1 – 3 Mal pro Woche.

Du kannst dieses Programm beenden, sobald beim Klettern oder Trainieren keine Symptome mehr auftreten, oder wenn Du mit 14 kg über deinem Körpergewicht symptomfrei am Zweifingerloch hängen kannst. Gratuliere, Du das das geschädigte Gewebe erfolgreich repariert!

Upstream Ergänzung:


In diesem Healthy Hand and Wrist Video findest Du ein umfassendes Programm.

  • Führe die Übungen mit dem Reiseimer aus, um Finger, Handgelenke und Unterarm zu stärken und die Gelenke zu mobilisieren. Informationen findest Du in diesem How to Rice Bucket video.
  • Dehne Deine Finger, Handgelenke und Unterarme mit bestimmen Dehnungsübungen und Selbstmassage. Sieh die folgenden Videos an, um das Upstream-System zu stärken: Healthy ShoulderHealthy Neck und Climber’s Kit.
  • Überlege, warum Dein Finger beim Auftreten der Verletzung falsch belastet war. War es ein Resultat eines bereits vorgeschädigten Fingers? Wurde der Finger aufgrund mangelnder Kontrolle durch Rumpf, Schultern oder suboptimale Fussarbeit übermässig belastet? Ziehe einen Physiotherapeuten oder Sporttrainer in Deiner Nähe zurate, um negative Bewegungsmuster oder Disbalancen zu ermitteln.
  • Ziehe auch das myofasziale System in Betracht, das zu Verletzungen beitragen kann (siehe Hang Right Artikel 1 und 2) Eines der häufigsten Beispiele für myofasziale Disbalancen besteht darin, dass die Muskeln auf der Vorderseite des Körpers verkürzt und verspannt sind, während die Muskeln auf der Rückseite des Körpers überdehnt und geschwächt sind. Ein gesundes Hängen erfordert eine Balance zwischen diesen beiden Muskelgruppen. Erreicht wird diese Balance durch ein gut durchdachtes Aufbautrainingsprogramm.
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Video-Link: https://youtu.be/bsdcugOIzeo