Es begann einst im schönen Allgäu [Erstbegehungen in Südafrika]

Max, Reini und Ich liegen im Daunenschlafsack auf unserem Biwakplatz irgendwo in Afrika und bestaunen den feuerroten Feuerball, der gerade im Atlantik versinkt und die ganze Bergkette vor uns mit blutrotem Licht überströmt! So habe ich mir das vorgestellt – dieser Sonnenuntergang mit der endlosen Weite Afrikas ist Wahnsinn – doch warum können die zwei Typen neben mir nicht zwei hübsche Blondinen sein?! ;-)

„Who need lucky cows?!“

Es begann einst im schönen Allgäu, wo die Kühe glücklich sind. Drei junge allgäuer „Männer“ und 2 ½ Wahlgäuer machen sich auf den weiten Weg Südafrika zu beautiful-view-on-bivierobern. Bisher hörte man nur von Rocklands und manchmal noch von Watervall Boven, doch gibt es dort unten nicht noch mehr?
Um diese Frage zu beantworten machten wir uns auf den Weg. Noch schnell einen Reisepass kurz vor Abreise organisieren (Irgendjemand hat behauptet, man brauche diesen) und auf geht’s nach Kapstadt.

Yellowwood Amphitheater – TraSchlaBo

Dank unserer südafrikanischen Freunden konnten wir schnell ein Ziel für unseren Erstbegehungshunger ausfindig machen: YELLOWOOD AMPHITHEATER

Das Bild der Wand verspricht beste Kletterei in steilem, festen Sandstein (Quarzporphyr). 3 Stunden Zustieg und eine Mountain Club Hütte als Basecamp in der me-and-my-porno-harnessNähe machen die Wand für uns perfekt. Da Daniel, Ari und Finn erst in 2 Wochen nachkommen beschließen wir schon mal eine Route durch die Wand zu legen.Der erste Tag läuft super, wir schaffen 3½ Seillängen und können am nächsten Tag vielleicht schon auf dem großen Band in Wandmitte biwakieren. Gesagt, getan! Am nächsten Tag sind wir wieder in der Wand und dringen bis zum Band vor. Die Kletterei ist der Hammer! Die Horizontalrisse bieten oft gute Möglichkeiten für Friends & Co. Zwischen den Horizontalrisse müssen die Run’outs einfach herderpresst werden. Wir bohren zunächst nur die Standplätze (1 BH + Div.). Doch manchmal ist die Wand einfach zu kompakt und wir setzen vereinzelt Bohrhaken. Jedoch sind wir sehr geizig mit den Bohrhaken, da wir erstens so viel wie möglich natürlich absichern wollen und zum anderen die Bohrer in diesem harten Fels nur 3 bis 6 Löcher aushalten, bis sie ohne Vorwahrnung den Geist aufgeben! Wir nennen unseren Stil TraSchlaBo-Stil (Trad – Schlaghaken – Bohrhaken).

Auf Grund des schlechten Wetters der nächsten Tage sind wir fast eine ganze Woche zum „nichtstuen“ verdonnert. Es regnet ununterbrochen, oben in der Wand schneit es sogar – sind wir wirklich in Afrika? Naja, was solls – dann halt ein bisschen Sportklettern im nahe liegenden Montaguey. Die Hauptsektoren liegen in einem Canyon, der an die alten Winetou Filme erinnert. Der einzige Unterschied ist, dass von oben keine Indianer herunterrufen, sonder Baboons – Paviane!

Wir haben nur noch 2 Tage bis die Gebels eintreffen. Das Wetter wird besser und wir beschließen einen letzten Angriff in die Wand zu wagen, mit dem Gipfel als Ziel. Also schleppt wieder mal jeder seinen 20kg Rucksack mit Proviant, Schlafsack weiteren Fixseilen etc den steilen Dschungelanstieg bis zum Wandfuß. Wir steigen schnell and den Seilen auf, doch das „haulen“ wird zur Tortur. Oft klemmen die schweren Säcke an den vielen Überhängen und nur mit viel Kraft und Nerven schaffen wir alles bis zum Biwakplatz. Reini und Ich wollen noch im letzten Abendlicht 1 bis 2 SL vorrankommen und steigen in die Hadwall ein. Wir klettern im Abendrot, hinter uns die rote Sonne Afrikas – unvergesslich!!!

Am nächsten Tag dringen wir über leichteres Gelände schnell in den oberen Wandteil vor und können unter lautem Geschrei von Max auf dem Gipfelplateau aussteigen. Hier sehen wir erst, dass der Weg von der anderen Seite des Berges viel leichter gewesen wäre ;-)))

Glücklich stehen wir am Gipfel – Traum erfüllt – YES!!!

Es ist der steile, rot kompakte Fels, die Wahnsinns-Landschaft, die geile Kletterei und die Tatsache ein Abenteuer mit seinen besten Freunden zu teilen warum wir solche Dinge machen!

Ein Tag später treffen die Gebeltiere bei uns in der Hütte ein. Zusammen trinken wir auf unsere erste Erstbegehung:

Your mother his face
9.Sl – 7b – 6BH – 5NH – 350m
1 Satz Rocks, 1 Satz Camelots bis Größe 3, Schlingen
10 Expressen
First Ascent: Max Dünßer, Reinhard Hones, Martin „Wusel“ Schindele, Kurt Halbag

Episode I

danielEs ist schon sehr spät als Daniel und Ich den beschwerlichen Weg zur Wand auf uns nehmen, aber am Vorabend haben wir auf unsere erste Tour angestoßen und ein bisschen zu viel getrunken. Als wir oben ankommen mustern wir die breite Wand des Amphitheaters.
Schnell ist eine Linie in Wandmitte, kerzengrad durch Überhänge und steile Platten, ausgemacht. Überraschender Weise lösen sich oft schwer zu scheinende Passagen recht gut auf und wir können schnell Meter machen. Die Kletterei macht so unglaublich viel Spaß, sodass wir die Seillängen nur noch nach der Geilheit der Kletterei bewerten. Die Skala beinhaltet 5 Stufen von VG bis UFG (Bedeutungen können bei den Expeditionsmitgliedern oder in der Allgäuer Kletterszene erfragt werden).
Daniel spricht nach der 2ten Seillänge von einer der schönsten, die er je erstbegangen hat! Mir geht es nicht viel anders, die Kletterei bringt mich fast zum Orgasmus! Wir schaffen 3 traumhafte SL an diesem Tag. Reini und Max seilen währenddessen ab – sie haben unsere Tour punkten können und sind auch überglücklich.

2. Tag: Heute steigen nur Daniel und Ich auf, mit dem Plan bis zum Band in Wandmitte zu kommen, Fixseile zu verlegen und dann alles Material aus der Wand mit zum Basecamp zurücknehmen.
Wir steigen bis zum letzten Stand auf und werfen die Köpfe weit in den Nacken. Das Dach über unseren Köpfen thront mächtig und scheint leise zu sagen : „Verschwindet – Muahahaha !“ Doch so leicht lassen wir uns nicht abschütteln. Die Wand ist wie eine Frau, man muss lange kämpfen und geduldig sein, um sieari-redpointing-pitch-2-7b_fg erobern zu können.
Daniel steigt vor und kommt gut voran. Das Dach überrascht mit Henkel, nur um die Dachkante scheint eine schwere Passage zu lauern. Dani kann sie mit ein paar Friends überlisten und steht nun in einer gelben Platte welcher er nach links durch weitere Überhänge entflieht. Geschafft! Eine leichtere Länge noch bis zum Band, Dani kommt nach und wir sind in Wandmitte. Die Headwall sieht furchteinflößend und zu gleich extrem anziehend aus – so etwas geiles!!! Wir denken uns noch eine Linie durch die Wand aus und ziehen dann ab. In 2 Tagen müssen wir in Watervall Boven zur Rock Rally sein.
2 Wochen später können wir alle Seillängen punkten – ein perfekter Tag irgendwo in Afrika!!!

Aufgrund von Zeitmangel können wir die Headwall leider nicht mehr angehen, doch wir hoffen in den nächsten Jahren zurück kommen zu dürfen, um Episode II anzuhängen.

Episode I – Fight against the dark side of gravity
5.SL – 7c / UFG – 180m
Kleines Set Rocks, Camelots bis Größe 3, evtl. kleiner Satz Slider, Schlingen
10 Expressen
First Ascent: Daniel Gebel, Martin „Wusel“ Schindele, Herbert Halbag

Who need lucky cows?

Wir stehen am Rand eines riesigen Canyons und sehen weit in das Tal und über die Weite Afrikas. Wie ein Höllenschlund macht sich die Erde hier auf und lässt hunderte kleinere und größere Wände erscheinen. Der Fels Watervall Bovens leuchtet im Lichte der Nachmittagssonne feuerrot. Dieser Spot ist echt ultraporno!!!

nice-dudeDieses Wochenende ist die alljährliche Watervall Boven Rock Rally, ein art Wettbewerb bei dem alle Kletterer des Landes (ca. 200!) zusammenkommen, um ein paar Tage einen mortz Fetz miteinander zu haben. Die Stimmung ist super, jeder kennt jeden. Es wird viel geklettert und gelacht. Wir sind von der Freundlichkeit und Herzlichkeit der Jungs und Mädels überwältigt. Am Abend kommen alle am Lagerfeuer zusammen und man feiert bis spät in die Nacht. Legendär bleibt für uns die Abschlussparty am letzten Tag (zumindest was wir noch wissen). Vielen Dank an die südafrikanische Kletterfamily für die schönen Tage in einem der geilsten Sportklettergebiete!!!
Daniel kann noch eine Route im 10ten Grad erstbegehen. Bei der Namensfindung hilft uns Naureen, eine deutsche, die vor Jahren ausgewandert ist. Als wir mit Ihr am Fels sind und ich es nicht fassen kann, dass hier wirklich eine schönere Linie neben der nächste ist und warum wir so etwas nicht im Allgäu haben, meint sie nur: „Dafür habt ihr im Allgäu glückliche Kühe“ – doch – „Who need lucky cows“ ?!

Drei unvergessliche Tage in den Rocklands und Genusskletterei am letzten Tag am Tafelberg schließen das Erlebnis Südafrika perfekt ab!

Danke an die südafrikanische Kletterszene für die großartige Gastfreundschaft und die wunderschöne Zeit, die wir mit euch verbringen durften!
Besonderer Dank an Tristan für all deine Hilfe, danke Dude!

Wir hoffen eines Tages wieder in euer schönes Land kommen zu dürfen. Gerne seid Ihr auch bei uns im Allgäu eingeladen – wo die Kühe noch glücklich sind ;-)

Vielen Dank auch für die Unterstützung an:

EDELRID, VAUDE, MAMMUT, SCARPA und BERGSPORT MAXI

Text: Martin Schindele / kletterszene.com Fotos:  Daniel Gebel, Ari Gebel, Reinhard Hones, Martin Schindele