Alexander Megos im Kletterszene Interview

Aktuell ist Alexander Megos einer der stärksten Kletterer weltweit. Da liegt die Idee ja nahe, mal bei ihm auf Kaffee und Kuchen vorbeizuschauen, um ihm einige (halbwegs) sinnvolle Fragen zu stellen.

Servus Alex, auch wenn du das bestimmt schon tausend Mal wegen deines 9a-Onsights gefragt worden bist und wir uns eigentlich dazu uns ’ne Frage verkneifen wollten… wie es ist in der kletterhistorischen Büchern ein großes Kapitel aufgeschlagen zu haben und wie sehr hat sich Angesichts dessen dein Kletter- bzw. dein Privatleben verändert?

Alex: Ja, also noch stehts in keinem Buch ;-) Ich würde jetzt nicht sagen ich hätte ein neues Kapitel aufgeschlagen. Ich bin vielleicht mal irgendwo in einem Kapitel vermerkt ;-)

Aber denoch hat sich ganz schön was geändert. Sowohl im Privat- als auch im Kletterleben. Damals konnte ich mir niemals vorstellen das Klettern als Profi zu betreiben. Nun tue ich aber genau dies. Wenn alles nach „Plan“ verlaufen wäre, dann würde ich nun schon vermutlich im 3. Semester studieren… Nun sitze ich hier und beantworte Interviews als Profi-Kletterer. Also ich würde wsagen, da hat sich schon einiges verändert.

Wir waren ja auch auf der Deutschlandpremiere von Exposure Vol. II. und da wurdest du ja auch schon wegen dem Grad 9b gefragt. Deine Antwort war, dass dieser Grad stark vom Liegefaktor abhängt und als Beispiel hast du La Dura Dura erwähnt, die dir wegen der weiten Zügen wahrscheinlich eher weniger liegt. Ebenso meintest du, sollten wir mal über ’ne 9b Begehung von dir berichten, wird es wahrscheinlich eine Erstbegehung sein.
Evtl. bist du ja noch etwas zu jung für die Frage (das sagen wir, die alten Säcke), aber Anfang der Neunziger haben das schon einmal die großen Leute des Klettersports — wie Alex Huber, Ben Moon, Wolfgang Güllich und Co bei dem Grad 9a gemeint — heutzutage wird dieser Grad fast täglich geklettert. Jetzt die Frage… denkst du, dass es „eurer Generation“ (Ondra/Megos/Sharma/…) genauso ergehen wird und ihr in 10 Jahren dasteht und euch über die „Jugend“ „wundert“
(Anm.: da sind absichtlich jeweils zwei „Gänsefüßchen„)?

Alex: Haha, das ist ne gute Frage. Die gefällt mir. Und die habe ich mir auch schon mehr als einmal selber gestellt. Ich denke nicht, dass die Entwicklung in den nächsten 25 Jahren genauso weitergehen wird, wie sie in den letzten 25 Jahren ausgesehen hat. Wir rücken (zumindest denke ich das) schon immer näher ans pyhsikalische und körperliche Limit eines Menschen, zumal das schwer Klettern ja auch immer abhängiger von so vielen Faktoren wird. Die Haut an den Fingern muss passen, die Fitness muss stimmen, der Fels muss trocken sein und es muss die richtige Temperatur haben, um Top-Leistungen zu erbringen. Die Wahrscheinlichkeit alle diese Faktoren perfekt zu erwischen wird irgendwann immer geringer und läuft vermutlich irgendwann gegen Null, weshalb der Fortschritt irgendwann zwangsläufig an eine Barriere stößt. Ich bin mir allerdings sicher, dass diese Barriere noch nicht erreicht ist. Man müsste sich nur mal fünf 8C Boulder hintereinander vorstellen. 

Das wäre ja durchaus möglich sowas zu klettern. Man muss nur warten, bis jemand kommt, der das schafft und der muss dann warten, um die perfekten Bedingungen zu erwischen.

Also ist der Liegefaktor nur eine willkommen und für alle nachvollziehbare, aber doch schwache Ausrede?

Alex: Es gibt keine Ausreden! Nur EINE! ZU SCHWACH! Das war und ist schon immer meine Rede gewesen. Man müsste ja nur stärker sein, dann wären Größe, schlechte Beta und schlechte Bedingungen schon wieder unwichtig.

Auf besagter Premiere, meintest Du auch, dass Adam definitiv nicht der stärkste Kletterer ist.*  Fakt ist aber auch, dass er aktuell so viele 9a’s wie kein zweiter in seiner Tickliste stehen hat. Zugegeben, er hat sechs Jahre Vorsprung. Aber was macht dann den Unterschied zwischen Adam und all den anderen Talentierten und stärkeren High-End Jungs aus? Nur die Erfahrung kann es ja auch nicht sein, oder?

Alex: Das stimmt, die Erfahrung ist es definitiv nicht. Zuallererst muss ich hier nochmal einfügen, das der Adam O. nicht schwach ist. Aber wirklich stark ist er halt auch nicht. Und das gibt er auch ganz offiziell zu: „I am still weak“. Er hat zumindest seine Schwäche erkannt.

Meiner Meinung nach der Grund, warum Adam so stark ist, ist folgender. Er bewegt sich einfach besser und schneller als der Rest. Wenn es gilt eine stabile Position zu finden, um den nächsten Zug auszuführen, dann braucht Adam ca. 0,3 Sekunden. Die Anderen brauchen mindestens doppelt so lange. Daniel Woods braucht 10 mal so lange. Aber das kann er auch nur, weil Daniel so einen gewaltigen Strom hat, das er sich das leisten kann so viel Zeit zu brauchen. Zumindest meistens. Irgendwann gibt es aber die Route/ den Boulder, wo man einfach schnell sein muss, um die Kraft/Spannung/Konzentration noch fürs Ende zu haben. Und dann ist der Adam eben ein Stück weiter als der Rest.

Die andere Sache, weswegen Adam so gut klettert ist, das er sich vor allem im Flash und Onsight Züge und Positionen sehr schnell einprägen kann und diese dann auch im ersten Versuch so ausführen kann, als ob er die Züge schonmal gemacht hat. Das fand ich eigentlich das bemerkenswerteste, als ich vor ca. einem Jahr dem Adam den Flash für eine 9a in der Fränkischen angesagt habe. Er hat seine Fragen so präzise bezüglich der Griffe und Tritte gestellt, das ich sie meist nicht beantworten konnte, obwohl ich den Zug gerade eben gemacht hatte. „Wo war der Fuss bei dem und dem Zug…?“ Meiner Meinung nach hab ich den Fuss halt irgendwo an die Wand gehalten, aber er wollte wissen wo er denn an der Wand war. Anschließend hat er sich das alles gemerkt und es dann wie ein Programm abgespielt. Die meisten kommen bei sowas ins stocken, da es sich nicht so anfühlt wie erwartet, aber er scheint das einfach zu ignorieren, wenn’s sich mal nicht gut anfühlt und findet einfach eine Position, in der er den nächsten Zug machen kann auch wenn er sich nicht gut anfühlt. Das war eigentlich in meinen Augen nur eins. Beeindruckend.

Du bist ja auch (neben einigen anderen Athleten) durch das Buch „Gimme Kraft“, das Aushängeschild für ein spezifisches Training. Trainierst du denn wirklich auch spezifisch für eine Route wie z.B. die Action Directe (à la Güllich oder Moon) oder hältst du in deinem Fall ein spezielles Training für überflüssig und machst lieber eine „ganzheitliche G’schicht“ draus? Oder gehst du auch mal  zum Dicki und sagst: ich würde gerne das-und-das klettern, überleg‘ dir mal ein Training dafür?

Alex: Ich habe noch nie speziell für eine Route oder einen Boulder trainiert. Sicher haben wir schon speziell auf bestimmt Styles trainiert, sei es Klettern, Bouldern, eher Leisten, eher lang/kurz. Aber ganz speziell für eine einzige Route hab ich noch nicht trainiert. Das war bis jetzt einfach noch nicht nötig für mich, da ich noch nie eine Route an meinem absoluten Limit probiert habe. Tendenziell bin ich der Meinung, dass das Training so ganzheitlich wie möglich gehalten werden sollte, auch wenn das sicher ab einem gewissen Punkt nicht mehr möglich ist…

Und wie oft bist du dann so in einer Woche in der Folterkammer bzw. Halle?

Alex: Das kommt auf die Jahreszeit an. Wenn ich unterwegs bin in den Klettergebieten dieser Welt, dann quasi nie in der Halle. Wenn es allerdings Trainingsseason ist und ich zu Hause bin, dann schon 4-6 mal.

Mal ganz allgemein gefragt, nachdem du eh alles innerhalb von zwei, drei Versuchen kletterst, interessieren dich die Grade überhaupt noch?

Alex: Eigentlich interessieren mich die Grade nicht so sehr sein. Ich find es viel spannender es als Challenge zu sehen dies es zu meistern gilt. Wenn ich mit meiner eigenen Kletterleistung zufrieden bin, dann ist mir der Grad fast egal. Also es kann z.B sein, dass ich mich aufrege, weil ich eine 9a „erst“ im 4. Versuch klettere, weil ich der Meinung war, das hätte schneller gehen können. Andererseits kann ich zufrieden sein, wenn ich eine 8c+ an einem Tag hochkomme (ich kann viele Versuche an einem Tag machen) weil es am Anfang hoffnungslos aussah und ich es dann aber trotzdem am Ende geschafft habe.
Das hängt viel vom persönlichen Gefühl ab. Aber wie ich schon vorhin sagte, der Grad ist FAST egal. Natürlich spielt der Grad vor allem wenn man Profi ist schon eine entscheidende Rolle. Aber man sollte dem nicht zu viel Bedeutung beimessen. Das ist weder gut für den Sport, noch für die eigene Psyche.

Die meisten Kletterer kommen, wenn überhaupt, ihre Neuner (UIAA-Skala) hoch und wenn sie mal ’nen guten Tag haben und der Übermut sie pack, dann schauen sie vielleicht auch mal in einen Zehner rein. Das war es dann aber auch schon. Wie ist das bei dir in den oberen Graden? Könntest du uns mal den Grad 9a oder 9b etwas näher bringen? Und sag ja nicht, dass die beiden Grade schwerer sind als ’n Zehner!!!

Alex: Oh das ist ne schwierige Aufgabe. Aber ich will’s versuchen. Letztendlich hab ich das Gefühl, das der Unterschied gar nicht so gigantisch groß ist. Vor allem wenn ich so ein paar 8bplussen und 9as in der Fränkischen vergleiche…
Man könnte evtl sagen, das 9a etwa so ist, wie wenn man zwei 8b oder 8b+en aneinander hängt. Erst eine etwas ausdauerndere und dann eine etwas boulderlastigere. Also wenn jemand ‘nen glatten 10er klettern kann, dann würde ich sagen, kann er in einer nicht ganz so maximalkräftigen 9a die Route in zwei Teilen klettern. Nun muss man sie ja nur noch zusammenhängen, richtig?! ;-)

Wie ist das eigentlich als junger Star der High-End Kletterszene. Steht schon der Porsche in der Garage oder bist du noch vom Taschengeld deiner Eltern abhängig?

Alex: Wer reich werden will, der sollte auf jeden Fall nicht mit dem Klettern anfangen. Soviel ist sicher. Ich verdiene aber mittlerweile schon genug Geld, um mir alle meine Reisen locker finanzieren zu können. Und ein biss’l Geld für Luxus bleibt auch noch über. Allerdings nur für Luxus im kleinen Stil.

Seit den La Sportiva Legends, wirst du wahrscheinlich auch des öfteren gefragt, ob du 2015 im Weltcup starten wirst. Auch wenn wir deine Antwort schon kennen, hast du jetzt die Möglichkeit, dass diese Frage nie wieder gestellt wird.

Alex: Für 2015, das habt ihr schon richtig bemerkt, kennt ihr die Antwort schon. Für alle, dies nicht verstanden haben, hier nochmal die Übersetzung: Nein.

An was liegt es, dass du auf den Weltcup Zirkus keine Lust hast? Okay, die Boulder auf den Weltcups entwickeln sich immer mehr von den Bewegungen am Fels weiter weg. Aber im Lead, ist doch noch alles beim Alten. (Anm.: Was das Format auch nicht gerade spannender macht). Oder ist dir die Zeit am Fels, so wie man das Klettern früher ohne Hallen auch kennen gelernt hat, einfach wichtiger.

Alex: Verdammt, hätte ich oben nicht so kurz geantwortet ;-) Es liegt einfach daran, das mir die Zeit am Fels im Moment mehr gibt, als es die Wettkämpfe tun würden. Um an WC’s zu stehen — ähhh — starten, muss man einfach viel in die Halle gehen und am Plastik trainieren. Und darauf habe ich zur Zeit keine Lust, da mir meine Ziele am Fels wichtiger sind.

Könntest du für uns beim Herrn Mateschitz ein gutes Wort einlegen. Denn das neue Layout hat uns einiges gekostet und so ganz ohne Helikopter wollen wir auch nicht mehr auskommen. Wir haben ja schließlich auch ’nen Ruf in der Szene zu verlieren.

Alex: Das geht natürlich gar nicht, wenn ihr euren Ruf in der Szene verliert. Weil Kletterszene ohne Szene, das wäre ja nur Kletter. Und damit kann man nichts anfangen. Ich schick‘ euch ’nen Heli vorbei. Ihr sollt ja auch nicht leben wie die Hunde ;-) (das war immer der Spruch von meiner Uroma. Urfränkisch halt…)

Cool! Wir zählen auf dich :)

*)Nicht dass jetzt ein schwedischer Pagebetreiber und bekennender Adam Ondra Groupie das in den falschen Hals bekommt — es ist die Rede von der reinen Kraft und das sagt Adam, ja auch selbst. 

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Video-Link: https://youtu.be/ENDXCuzHtW4