Tommy Caldwell und Kevin Jorgeson befreien „Dawn Wall“ am El Capitan

jorgeson-caldwell-top-el-cap-dawn-wallDawn-Wall-With-Route-El-CapNach insgesamt 7 Jahren Vorbereitung, Planung, Training, verletzungsbedingten Rückschlägen und verschiedener Aspiranten als Seilpartner konnte Tommy Caldwell „sein“ Projekt gemeinsam mit Kevin Jorgeson am 14. Januar 2015 abschließen. Seit dem 27.Dezember hingen die beiden für diesen Versuch in der Dawn Wall am El Capitan im Yosemite National Park. Über 900 Meter und 32 Seillängen in der letzten (bis dato) nicht frei durchstiegenen Big-Wall-Route am El Cap konnten die beiden als erste im Team-Ascent befreien. Was genau das bedeutet, überlassen wir den weiter unten erwähnten Fachmedien, wie Tagesschau und Spiegel. Eine Fotostrecke von Corey Rich dokumentiert die letzten Tage und den Zustand der Hände der beiden, die quasi nur noch durch Tape und Sekundenkleber zusammengehalten wurden. (Weitere Fotos von ihm finden sich hier).

Somit geht ein gewaltiges und beeindruckendes Projekt für Tommy und Kevin zu Ende. Aber anders, als bei anderen großartigen Begehungen (Ondras „Change“, Sharmas „Jumbo Love“,…) ist es für die beiden wohl noch lange nicht abgeschlossen, denn die Medienaufmerksamkeit erscheint fast erdrückend.

Wie gesagt, die beiden haben eine großartige Leistung vollbracht, aber muss es wirklich sein, dass sich ein Barack Obama da dran hängt und per Twitter gratuliert? Das ist ungefähr so absurd, als würde Angela Merkel Alex Megos gratulieren, weil er eine 9a geflasht hat. Oder sehen wir das falsch?

El_CapAuf dem Ausstieg warteten über 50 Leute auf die beiden, zum einen Familie und Freunde (absolut verständlich) und jede Menge Kamerateams und Reporter. Die NY-Times veröffentlichte am gleichen Tag noch ein Interview mit den beiden, obwohl wohl meinen könnte, dass die beiden nach x Tagen in der Wand echt mal Bock auf ’ne Dusche und Ruhe gehabt hätten.

Aber auch die deutschen Medien haben sich auf das Thema gestürzt und auch gleich mal einige Böcke geschossen. Die Tagesschau der ARD brachte einen Bericht mit dem Klappentext: „noch niemand hat die Granitwand des „El Capitan“ im Yosemite Nationalpark ohne Hilfsmittel bezwungen…“ Ernsthaft? Überraschenderweise schafft es Spiegel Online etwas differenzierter zu berichten, wahrscheinlich klettert der dpa-Praktikant selber. Bei beiden Links sind auf jeden Fall die Kommentare das Lesenswerteste…

Dass die beiden über Wochen von mindestens zwei (oder mehr) Kameraleuten in der Wand und jeder Menge Fotografen am Wandfuss begleitet wurden, erinnert auch irgendwie an die Kompressor-Route, oder nicht? Natürlich ist das für uns, die Klettergemeinde, fein, weil ein herllicher Film darüber erscheinen wird, aber ein bisschen pervers ist es schon, oder? Wir waren zwar selber noch nie im Camp4, aber was man so kennt aus Filmen wie Valley Uprising und Artikeln über die wilden Anfänge und den Spirit dort, wird sich ein John Bachar und Co. im Grab umdrehen, ob dieser „Ausschlachtung“. Zumal die beiden ihre Leistung extrem bescheiden beurteilen (was sie — wie erwähnt — natürlich nicht ist):  „It’s about realizing a dream.“

 

    Text: Kletterszene Bilder: Adidas Outdoor (Tom Evans), Ted Distel (Foto El Cap)
  • Beitragsdatum 15. Januar 2015