Sebastian Halenke rockt in Fontainbleau

Die ersten Trainingsmonate der neuen Saison-2016 waren standartmäßig sehr anstrengend gewesen. Mein Training im Grundlagen- und Aufbaubereich hatte sich durch ein hohes Maß an kletterspeziefischem Krafttraining ausgezeichnet, weil ich dieses Jahr nach längerer Zeit wieder eine stärkere Priorität auf den Maximalkraftzugewinn setzen wollte. Allerdings wurde es nach den vielen Wochen am Campusboard, gepaart mit Ringen, Gymnastikbällen und für meine Verhältnisse wenig Boulderwand nun Zeit, den Transfer zum „echten“ Klettern zu finden.

La Berezina (1)Und was sollte sich für diesen Übergang ins IK-Training besser dazu anbieten als ein Bouldertrip in das legändere Fontainebleau. Als absoluter Neuling des Topgebietes wurde mir schon im Vorfeld geraten, meine Erwartungshaltung eher niedrig anzusetzen. Glücklicherweise war ich jedoch mit einem wahrhaften „Altmeister“ des Boulderns, (mit seinen 35 Jahren zwar nicht vom Alter her, aber in Bezug auf seinen Erfahrungsreichtum definitiv zutreffend) unterwegs. Christian Benk, Chef der Ulmer „Einstein Boulderhalle“, in welcher ich seit diesem Jahr hauptsächlich trainiere, könnte man fast als den deutschsprachigen „Local“ des Gebietes bezeichnen, was mir den Einstieg in die durchaus anspruchsvolle „Bleau-Boulderei“ deutlich erleichterte.

Am ersten Tag des Bouldertrips gingen wir in das Gebiet „Buthier“, wo mir zuerst einmal unzählige, verschiedenartige Linien an den unterschiedlichsten Blöcken gezeigt wurden, eine inspirierender als die andere. Trotz meiner hohen Motivation und nahezu grenzenlosen Begeisterung fühlten sich die, seit langem ersten Züge wieder am Naturfels, etwas unrund und grobmotorisch an. Doch nach ein paar Stunden Eingewöhnungszeit in eher moderaten Bouldern konnte ich selbst an jenem Tag noch die ein oder andere solide Begehung verzeichnen. Mit „Mongolito 8a“ sowie „Mongolito du bas 8a+“ (kleinleistiges Dach) jeweils im zweiten Versuch, gefolgt von „Interfrequence tellurique 8a“ (kurze athletische Traverse mit flachem Ausstieg), „Misantrophie 8a“ (fast senkrechter, technisch anspruchsvoller Boulder) und schließlich „Magic Bus 7b+“ (Dach mit weiten Zügen) als „Abschlussschmankerl“ im „Flash“ (und einer Vielzahl verschiedenartiger eher leichter Boulder), war ich mit meiner Leistung des ersten Tages durchaus zufrieden.

Leider war der darauf folgende Tag, an welchem ich die Sitzstartvariante („L’Apparemment bas 8b“) von „L’Apparement 8a“ in „Apremont“ probieren wollte, von weniger Erfolg gekrönt. Zwar konnte ich den Stehstart („L’Apparement“) ohne größere Probleme bereits im dritten Versuch klettern, doch bei der tiefer startenden Version wollte ein Zug, der mir normalerweise gut liegen hätte müssen, zu diesem Zeitpunkt einfach nicht gelingen. Nach einer gefühlten Ewigkeit, die ich an dem Boulder verbracht hatte, musste ich mich also vorerst geschlagen geben.

Auch der nächste Tag (24.03.) stand eigentlich nichtLa Berezina (2)-2 unter den Besten Voraussetzungen. In Folge einer etwas längeren Nacht, in der ich zusammen mit meinen Kollegen in meinen 21. Geburtstag hineinfeierte, fühlte ich mich mit Kopfweh und Müdigkeit gestraft, alles andere als in der Verfassung, sportliche Spitzenleistungen zu erbringen. Trotz allem gingen wir am Nachmittag wieder raus an den Fels, wo mir in den Sektoren von „Cuvier“ traumhafte Linien an interessanten Blöcken dann sogar die Motivation aufflammen ließen. Nach gut 10 eher leichten, aber technisch anspruchsvollen Bouldern bis 7a+ , in denen ich mich, in Anbetracht des Vorabends, wiedererwartend flüssig und präzise bewegte, wollte ich schließlich doch etwas schwereres probieren. Und obwohl ich nicht damit gerechnet hatte – es war den Versuch wert gewesen: Innerhalb von knapp 30 Minuten gelang es mir, die allesamt klassischen Boulder „La Berezina 7c“, „Carnage 7b+“, „L’Helicoptère 7a“, sowie „Hypothèse“ und „Antithèse“, beide mit 7c+ bewertet, direkt zu flashen… und als krönender Abschluss des Tages (gefolgt von einigen, physisch weniger anstrengenden „Technikbouldern“) war es mir sogar noch vergönnt, „Neverland 8a“ – eine superinspirierende Linie – ganz knapp mit dem Anbruch der Dunkelheit durchzusteigen. Wahrlich, dies war buchstäblich ein Tag voller „Geburtstagsüberraschungen“.
Bedauerlicher Weise nur änderte sich das Wetter bereits am anschließend folgendem Ruhetag, den wir für eine „Sightseing-Tour“ in der Stadt Fontainebleau nutzten, weswegen mir anschließend lediglich ein letzter, eher durchwachsener Bouldertag im Freien, verblieb. Doch auch unabhängig davon, sollte mein Trip damit nicht ganz beendet sein:

Aufgrund des zufälligen Wiedersehens mit meinem alten Freund Dave Tchéque Pravda, blieb ich für drei weitere Nächte in einer Gite bei Milly-la-Forêt, in welcher er als Volontär arbeitete. Somit konnte ich an jenen, folgenden Tagen, abschließend noch zwei qualitativ hochwertige Trainingseinheiten in der Kletterhalle „Karma“, dem Leistungszentrum der französischen Bouldernationalmannschaft, absolvieren.
Schließlich wurde es am Mittwoch dem 30. März aber auch für mich wieder Zeit, die Heimreise anzutreten, um – neu inspiriert und voller Motivation – das harte IK-Training am Plastik in Angriff zu nehmen

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Video-Link: https://vimeo.com/12013083
    Text: Sebastian Halenke, Kletterszene Foto: © Sebastian Halenke
  • Beitragsdatum 28. April 2016