Rotpunktschule Reloaded [Interview mit Michael Hoffmann]

Vor knapp einem Jahr ging die neue Seite der Rotpunktschule online. Ihr Kerninhalt: Das Trainernetzwerk mit inzwischen knapp 30 namhaften Trainern, die quer über Deutschland verteilt und direkt über die Homepage buchbar sind. Ins Leben gerufen wurde das Projekt „Trainerpool“ von Michael Hoffmann: Bergführer, Lehrbuchautor und Leiter des DAV-Lehrteams Sportklettern. Ist das Projekt ein interessantes Vorhaben mit Zukunft oder doch eher zum Scheitern verurteilt? Nachdem wir letztes Jahr schon das Trainernetzwerk vorgestellt haben, hat es jetzt nach mehreren Anläufen endlich mit unserem Interview geklappt.

KS.com: Wann warst du das letzte Mal privat klettern?

MH: Oh, das ist gar nicht so lange her. Vorgestern erst!

KS.com: Und hättest du dir dabei ein Feedback von einem Trainerkollegen gewünscht?

MH: (lacht) Lustigerweise ist der Fritz Mußner aufgetaucht. Als ich in der Schlüsselstelle war, hat er „Auf geht’s, des is genau dei Wedda!“ gerufen. Das war eine tolle Anfeuerung! Sie hat mir wirklich Motivation gebracht und auch genützt! (lacht) Aber an dem Tag ist mir sowieso alles gelungen, daher brauchte ich kein Feedback von außen. Drei Tage zuvor sprach ich beim Klettern mit Peter Albert über die Klipprichtung von Expressen. Die Diskussion mit ihm hat mich zum Nachdenken gebracht und ich war froh drum. Das war zwar eine sicherheitstechnische Diskussion, aber ich bin generell immer froh über Anregungen, auch wenn – oder eben weil – normalerweise ich derjenige bin, der Feedback gibt. Niemand ist perfekt, jeder kann noch was lernen!

KS.com: Den Trainerpool gibt es jetzt seit einem Jahr – wie ist damals eigentlich die Idee dazu entstanden?

MH: Die Homepage ist seit etwa einem Jahr online, auch wenn die Vorbereitungen schon davor begonnen haben. Die Idee des online-Trainerpools michaelhoffmannist aus zwei Aspekten entstanden: Zum einen hatte sich das klassische Standardangebot der Rotpunktschule totgelaufen, es war mühsam die Lehrgänge voll zu bekommen, die Entwicklung stagnierte und ich hatte Mühe, mich dafür noch zu motivieren. Wahrscheinlich habe ich im Laufe der Jahre einfach zu viele herkömmliche Kurse geleitet. Zum anderen habe ich eine erhöhte Nachfrage nach individuellen Coachings wahrgenommen. Und so entstand vor allem in Kooperation mit Nils Schützenberger die Idee des Trainerpools. Wir haben dann im Münchner Raum angefangen und die fähigsten Kollegen angesprochen. So trafen sich eines Abends die besten Trainer aus München und Umgebung um das Projekt zu begründen.

KS.com: Mit mehreren aktiven und ehemaligen Nationaltrainern und Wettkampfkletterern sind einige sehr namhafte Leute der Kletterszene im Pool versammelt. Wie kommt man an die Leute ran und begeistert sie für ein gemeinsames Projekt?

MH: Das ist eigentlich nur möglich durch die besondere Rolle, die ich im Rahmen der Trainerausbildung innehabe. Fast alle Trainer im Pool habe ich selbst mit ausgebildet, der persönliche Draht ist eine Grundvoraussetzung. Unser Konzept beruht schließlich stark auf beiderseitigem Vertrauen.

KS.com: Der RPS-Zirkel ist ein exquisiter Kreis. Was muss man drauf haben, um aufgenommen zu werden?

MH: Grundvoraussetzung ist eine Qualifikation höher als Trainer C Sportklettern. Außerdem sollten die Kandidaten 7c klettern können. Wir haben das Ziel, mittelfristig deutschlandweit die fähigsten Klettertrainer zu vereinen. Selbstverständlich kann dann im Einzelfall auch jemand aufgenommen werden, der nicht diesen Grad klettert. Das wichtigste für mich ist der Eindruck, den die Trainer in den Ausbildungen hinterlassen.

KS.com: Welche Regionen sind denn zurzeit am stärksten besetzt?

MH: Ganz klar München, wo alles anfing: Hier gibt es momentan sieben Trainer. Dann kommen Köln, Stuttgart und Regensburg.

KS.com: Und ich welchen Regionen braucht es dringend noch mehr Trainer?


MH
: Es gibt noch viele weiße Flecken auf der Rotpunktschule-Landkarte. Wobei ich nicht durch die Lande ziehe und aktiv suche. Ich setze auf Leute, die ich während der Ausbildungen kennen lerne und auf Trainer, die mir von anderen Mitgliedern des Pools empfohlen werden. Im norddeutschen Raum brauchen wir zum Beispiel Verstärkung.

KS.com: Bist du dabei selbst als Trainer aktiv oder siehst du dich eher in der Rolle des Koordinators?

MH: Ich bin beides. Ich stehe ja auch auf der Homepage und bin wie jeder andere Trainer aus dem Pool buchbar. Hin und wieder erhalte ich Anfragen!

KS.com: Apropos Anfragen: Was war die bisher kurioseste?


MH:
Einmal wurde das Formblatt auf der Homepage genutzt um mir etwas zu einem meiner Bücher mitzuteilen. Ach ja: Letztens hat einer der Trainer eine Anfrage von einem Fernsehproduzenten erhalten. Es ging darum, einen jugendlichen Teilnehmer einer Sendung abzuseilen, als Mutprobe. Ich weiß nicht, wie der mit seinem Anliegen auf uns gestoßen ist!

KS.com: Ihr habt ja auch kaum Werbung für den Trainerpool gemacht. Läuft das Konzept trotzdem gut an?


MH:
Dass wir keine Werbung gemacht haben liegt schlicht und einfach daran, dass dafür kein Geld da ist. Wir setzen auf Mund-zu-Mund Propaganda und den guten Ruf unserer Trainerstunden. Wobei das noch steigerungsfähig ist. Die Anzahl der Trainings bewegt sich bislang in einem überschaubaren Rahmen. Allerdings ist durchaus eine Zunahme der Trainings zu beobachten, was mich riesig freut. Ich bin nach wie vor überzeugt, dass das Konzept eine Zukunftsperspektive hat. Aktuell werden in verschiedenen Hallen Visitenkartenhalter aufgestellt, die Trainer haben kürzlich T-Shirts bekommen und werden so verstärkt wahrgenommen. Dadurch wird die Rotpunktschule mehr ins Bewusstsein der Leute rücken.

KS.com: Gibt es eigentlich etwas wie den typischen Kunden?


MH:
Früher – zu alten Rotpunktschul-Zeiten – waren es sportlich interessierte Leute, die aufgrund der klaren Kursausschreibungen von vornherein wussten, dass es bei uns nicht um Animation oder so geht. Bezüglich des neuen Konzepts fehlen noch die Erfahrungswerte, um die Frage genauer beantworten zu können. Naja, das nötige Kleingeld für individuelles Coaching muss jedenfalls da sein …

KS.com: Zu den Preisen der Trainerstunden gibt es einen Richtwert von der Rotpunktschule. Der ist auf den ersten Blick recht hoch. Warum geben die Leute trotzdem das Geld dafür aus?


MH:
Individuelles Training ist viel effektiver als ein Standardkurs. In einem gebuchten Kurs sind mehrere Teilnehmer. Der Trainer muss seine Aufmerksamkeit teilen. Die Übungen sind unspezifischer, da das Niveau der Teilnehmer meist unterschiedlich ist. Und wenn der Kurs, der ja in der Regel eine Blockveranstaltung ist, vorbei ist, dann geht nichts mehr weiter. So bekommst du kein gutes Feedback! Wenn man bei uns allein oder zu zweit, ein Coaching bucht, wird eine ausführliche Stärken/Schwächenanalyse gemacht, auf deren Basis dann das weitere Training aufbaut. Sind die vom Trainer mitgegebenen Hausaufgaben umgesetzt, kann man an neuen Ansätzen weiterarbeiten. Dieses Vorgehen ist viel effektiver! Zum Geld: für den Peis einer organisierten Sportkletterwoche kann man ziemlich viele Trainerstunden buchen! Und wie schon gesagt: Im Pool sind nur die besten Trainer.

KS.com: Werden tatsächlich meist Einzelstunden gebucht?


MH:
Das kann man nicht generell sagen. Tendenziell sind es eher wenig Teilnehmer, aber es gab auch schon Trainings mit sechs Kunden.

KS.com: Gibt es auch Kunden, die Mehrseillängenrouten klettern wollen?


MH:
Bis jetzt wurden nur Sportklettercoachings gegeben. Offenbar hat es sich noch nicht herumgesprochen, dass manche Trainer auch staatliche Bergführer und wirklich kompetent in Mehrseillängenrouten sind.

KS.com: Vorher hatten wir schon nach dem typischen Kunden gefragt. Gibt es auch den Stereotyp des Klettertrainers?


MH:
(lacht) Seeeehr schwierige Frage … Welche Qualifikationen vorausgesetzt werden, hatte ich ja schon erläutert. Spontan würde ich sagen: Die Wellenlänge untereinander muss halt stimmen, wir sind alle sehr positiv im gegenseitigen Umgang. Aber es wäre fatal anzunehmen, dass es einen festen Stereotyp gibt. Im Pool sind Trainer mit unterschiedlichsten Schwerpunkten und Persönlichkeiten – und das ist auch gut so! Die Trainer stellen sich ja auf der Homepage mit ihren Favourits vor, so können die Kunden einen ersten Eindruck gewinnen und sich den Trainer aussuchen, der ihren Vorstellungen am besten entspricht. Es gibt bei uns keine 08-15 Leute.

KS.com: Aber alle sind begeisterte Kletterer?


MH:
(lacht) Das würde ich sofort unterschreiben!

KS.com: Es gibt einen Haufen Blogs im Internet, die sich mit dem Thema Klettertraining befassen – auch gibt es einen “Trainer“, der seine Dienste kostenlos per e-mail anbietet. Was hältst du davon?

MH: Aus Blogs kann man sich alles Mögliche zusammensuchen. Dann muss man halt selbst wissen, was man davon brauchen kann. Aber ein Training via e-mail wird nicht funktionieren. Konditions- und Techniktraining beruht immer auf einer Stärken- und Schwächenanalyse und die ist via Mail nicht möglich. Mehr als Standardtipps für Anfänger sind da nicht drin.

KS.com: Wie wird sich die Rotpunktschule in nächster Zeit weiterentwickeln?

MH: Da wir alle direkt am Puls der Trainerausbildung und viele im Lehrteam Sportklettern des DAV sind, fließen von dort ständig neue Anregungen ein. Diagnosetools wie Fragebögen oder Leistungsprofil existieren und werden so weiterentwickelt, dass der Kunde sie auch in elektronischer Form erhalten kann. Die Tools bieten die Möglichkeit der Selbstkontrolle und der Dokumentation eigener Fortschritte. Außerdem besteht so die Möglichkeit, dass Kunden auch mal mit einem anderen als „ihrem“ Stammtrainer klettern gehen und ihm bereits vorab mehr Info über sich selbst zukommen lassen können.

KS.com: Sorgt es nicht für Unstimmigkeiten im Trainerteam, wenn ein Kunde den Trainer wechselt?


MH:
Nein, so etwas kann schon wegen Terminproblemen vorkommen. Auch dafür ist wichtig, dass die Chemie der Trainer untereinander stimmt.

KS.com: Okay, zur Schlussfrage: Was macht für dich eine gute Trainerstunde aus?


MH:
Ein Training ist in meinen Augen gelungen, wenn ich das Gefühl habe, dass der Teilnehmer mit meinen Empfehlungen etwas anfangen kann und ganz besonders dann, wenn ich durch Übungen oder Aufgabenstellungen einen Aha-Effekt erzeugen kann. Sprich, der Kunde spürt, dass eine bestimmte Technik besser klappt als bisher.

KS.com: Das lassen wir so stehen und bedanken uns für das tolle Gespräch

Text:kletterszene.com, Michael Hoffmann Foto: Michael Hoffmann

  • Beitragsdatum 14. Juni 2011