Ines Papert gelingt die Erstbesteigung des Likhu Chuli I

(c) visualimpact.ch | Thomas Senf Aufgrund einer Schulterverletzung nach einem Sturz bei einer Erstbegehung in Marokko musste sich Ines Papert im Frühjahr einer Operation unterziehen und drei Monate pausieren. Die Aussicht auf eine Himalaya-Expedition im Herbst motivierten die 39-jährige Profialpinistin jedoch in der Reha- und Trainingsphase.

Ende Oktober reiste Ines Papert in Begleitung von Thomas Senf (Alpinfotograf und Bergsteiger aus Interlaken, Schweiz) und Hans Hornberger (Kameramann aus Bayerisch Gmain, Deutschland) ins Khumbu-Valley mit dem Plan den 6.487 Meter hohen Tengkangpoche auf einer neuen Route durch die Nordwand zu besteigen. Die favorisierte Linie versprach jedoch wegen geringem Eis wenig Erfolg. Ein Ausweichen auf eine andere Linie an diesem Berg kam wegen massiver Hängesercas im Gipfelbereich und einem damit verbundenem hohen objektiven Risiko nicht in Frage.

Während einer Besteigung des 6.178 Meter hohen Pharchamo Peak zu Akklimatisationszwecken musste die Idee, diesen Berg mit dem Gleitschirm zu verlassen, aufgrund hoher Windgeschwindigkeiten aufgegeben werden.
Einige Tage später konnten die Alpinisten jedoch ihren ersten Himalayaflug von einem weniger hohen Gipfel realisieren.

Bald entstand die neue Idee, den Likhu Chuli I über seine Nordwand anzugehen. Laut Mingma Sherpa, welche die Pharchamo View Lodge am Fuße des Tengkangpoche betreibt, galt dieser Gipfel noch als unbestiegen. Weitere Datenbank-Recherchen im Internet bestätigten diese Aussage vorerst. Als schließlich auch Meterologe Charly Gabl aus Innsbruck für die Tage zwischen 11. bis 14. November keine Niederschläge und relativ günstige Windbedingungen voraussagte, wurde der Plan konkret.

Am 11. November gelang es Ines Papert und Thomas Senf bei sehr guten Bedingungen etwa 1.800 Höhenmeter, davon die Hälfte seilfrei, zu klettern. Der Ausstieg aus der Nordwand gestaltete sich jedoch durch eine schier unüberwindbare Gipfelwechte äußerst schwierig. Meterhoher Pulverschnee und die beginnende Dunkelheit waren der Grund dafür. Nur weniger Meter unterhalb des Ausstiegs mussten Papert und Senf biwakieren. Es folgt eine bitterkalte, überaus unbequeme Nacht auf einem winzigen Schneeband in der ansonsten 70 Grad steilen Wand.

An einen Rückzug wollten die Bergsteiger an dieser Stelle nicht mehr denken. Immerhin war das Duo „leicht“, also im Alpinstil unterwegs und somit wäre ein Rückzug mangels Material äußerst schwierig geworden. Im Tageslicht fanden die beiden mit Hilfe der Anweisungen von Hans Hornberger, welcher die Begehung vom Wandfuß aus filmerisch dokumentierte, einen machbaren Weg durch die Wechte. Wenig später standen sie auf dem 6.660 Meter hohen Vorgipfel des Pig Pherago Shar.

(c) visualimpact.ch | Thomas Senf Unterhalb des abschließenden Gipfelgrates fanden Papert und Senf schließlich einen geeigneten Zeltplatz für eine zweite Nacht am Berg. Am nächsten Morgen erwies sich der Grat bei näherer Betrachtung allerdings als nicht kletterbar. Zu viel Neuschnee! Stattdessen traversierten sie durch die Nordwand zur Westflanke. Bei extremer Kälte und starkem Wind musste das Duo erneut für ein paar Stunden Schutz im Zelt suchen. Bei Thomas Senf zeichneten sich bereits erste Erfrierungserscheinungen an den Zehen ab, weshalb der Schweizer beschloss, auf den Gipfel zu verzichten, obwohl dieser schon zum Greifen nah war.

Thomas Senf: „Wäre ich an dieser Stelle weiter geklettert, hätte ich schwere Erfrierungen riskiert. Umso mehr freute ich mich über Ines Entschluss alleine zum Gipfel aufzubrechen. Hätte sie mir zuliebe verzichtet, wäre das sehr schade gewesen.“

Gegen Mittag machte sich Ines Papert bei weiterhin heftigem Wind auf den Weg. Der Bergschrund war auch im Alleingang zu überwinden, die Kletterei über die 50 – 70 Grad steile Westflanke relativ problemlos seilfrei zu bewältigen. Gegen 14 Uhr erreichte Papert schließlich den Gipfel.

„Ein überwältigender Moment, als erster Mensch seinen Fuß auf einen Himalaya-Gipfel zu setzen. Aber ganz große Freude wollte nicht aufkommen. Ich hätte mir so gewünscht, diesen Moment mit Thomas teilen zu können. Außerdem setzten mir die Kälte und Höhe zunehmend zu.“ Ines Papert

Nach einer weiteren Nacht im Zelt traten Papert und Senf den Abstieg über die Westschulter des Berges an und erreichen am 14.11.2013 gegen 14 Uhr das ABC. Beide Bergsteiger erlitten Erfrierungen 2. Grades, weshalb die Expedition vorzeitig beendet wurde.

Fakten zur Expedition

  • Base Camp: 02/11 (4,300 m, Tengpo, Parchamo View Lodge)
  • ABC: 07/11 (4,850 m Omizo Lake)
  • Camp 1: 10/11 (6,580 m)
  • Camp 2: 11/11 (6,620 m)
  • Camp 3: 12/11 (6,580 m)
  • Gipfel: 13/11 (6,719m Ines Papert, 14:00 Uhr)

Text: Ines Papert, Johanna Stöckl / Fotos: Ines Papert, visualimpact.ch | Thomas Senf

  • Beitragsdatum 29. November 2013