Alexander Megos punktet "Fly" (8c/ 20Sl) an der Staldeflue [News]

Da kannst du machen was du willst: Die kleinsten Leisten halten, die steilsten Routen klettern, dich durch die übelsten Wände quälen, Kannst leiden, bluten, frieren, fluchen und tausend Tode sterben. Aber wenn von dir und deiner Dedication mehr bleiben soll, als nur eine, mit der Zeit immer unschärfer werdende Erinnerung, wenn du der Vergänglichkeit ein Schnippchen schlagen willst, wenn du dich als Kletterer mit all deinen Skills und deiner Kreativität verwirklichen willst, dann brauchst du mehr. Du brauchst ein Denkmal aus Stein. Du brauchst eine Erstbegehung.

Copyright:Frank KretschmannWelchem ambitionierten Kletterer sind solche oder so ähnliche Gedanken noch nicht vor dem Einschlafen durch den Kopf gegangen? Wer hat sich noch nicht von dieser Idee beseelt gefühlt? Wer von hat sich noch nicht auf die Suche nach „seiner“ Linie gemacht?

Roger Schäli, einer der talentiertesten Alpinisten der Gegenwart, hat es getan und sich auf die Suche nach seiner Linie gemacht. Und es sich ausgezahlt, denn er hat sie gefunden. Und zwar an der Staldeflue im Lauterbrunnental (SUI). Angesichts einer jungfräulichen, 550m hohen Wand, die man in 10 Minuten gemütlich erreichen kann, gab es nur eins: Nicht zögern und ran an den Speck bzw. die Bohrmaschine.

Von 2006-2009 verbrachte Roger, unterstützt von Michel Pitelka, Markus Iff, Bernd Rathmayr, Mäx Grossman und Stephan Eder unzählige Stunden an der Wand. Herausgekommen ist ein 20-Seillängen langes Testpiece mit einer 8c, einer 8b+, einer 8b (die sich allesamt ganz oben befinden) sowie neun weiteren Längen von 7b bis 7c+. Weil diese Wand in der Vergangenheit nie geklettert, sondern nur von Basejumpern besprungen wurde, bekam die Route den Namen „Fly“.

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20 Seillängen bis 8c? Na habe die Ehre, denn schwerer geht es kaum. Seit 2009 hat Roger alles versucht um diese Linie aus ihrem Projekt-Dornröschenschlaf zu befreien. Doch manchmal reicht auch das nicht. Leider.

Doch Roger lies sich nicht kleinkriegen. Stattdessen stattete er dem legendären Café Kraft in Nürnberg einen Besuch ab, um sich von den dortigen Trainer-Koryphäen Korb und Matros ein Power-Tuning der übernatürlichen Art verpassen zu lassen. Wenn jemand weiß, wie man andere Menschen unglaublich stark macht, dann die zwei, soviel steht fest. Nicht von ungefähr vertraut auch Strongman Alex Megos auf ihr Wissen in punkto Training.

In der Folge war es auch genau dieser Alex Megos, der durch Frank Kretschmann Wind von dem Projekt bekam. Hört sich nicht schlecht an, dachte sich dieser. Und 8c, naja, das ist ja schon öfter onsight gegangen. Zahl hin, Zahl her, doch so einfach war die Sache nicht. Schließlich musste man erstmal 18 harte Längen hinter sich bringen, um überhaupt zur Crux der Route zu gelangen. 18 Längen übereinander wohlgemerkt. Und mit so was hatte Alex bislang keine Erfahrung.

Copyright:Frank KretschmannEgal, irgendwann gibt’s immer ein erstes Mal. Also warum nicht hier, warum nicht jetzt? Und falls etwas schiefgehen sollte, wäre ja der Roger nicht weit. Der kennt sich mit großen Wänden aus und fand es außerdem super, dass sich jemand seiner Route annehmen wollte. Deswegen lud er den Alex einfach ein, mal in der Schweiz vorbei zuschauen.

Am vierten Juni war es soweit: Alex, Roger, der legendäre Photodawg Frank Kretschmann und David Hefti stiegen ein. Alex legte los, wie man es von einem gewohnt ist, der keine Furcht vor kleinen Griffen kennt und startete eine Onsight-Orgie, der nur die schwersten Längen kurz – je 15 Minuten widerstehen konnten. BÄNG!

Roger und David punkteten auch brav, nur die 8er-Längen hielten stand. Auch Frank K. gab alles und holte sich zwei 6c-Längen, die er mit Kamera-Bag und Haulseil am Körper nachstieg. Aufgrund des Zusatzgewichts wertete er sie auf mindestens 7c auf. Respekt! Beim abendlichen Biertrinken zeigte er den Jungspunden dafür wo der Bartl den Most herholt.

Text: Flo Scheimplug, Fotos: Frank Kretschmann

    Text: Kletterszene
  • Beitragsdatum 22. Juni 2014